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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0033
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Marsiüo Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus

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Schönheit: 'splendor’ der Identität von absoluter Einheit und Gut-
heit, unius lux, divinitatis fulgor, fulgor dei68. Von dem Zentrum
des Ganzen gehen Kreise aus, die in je verschiedener Seinsintensität
auf den einen Ausgangspunkt hin bezogen sind und so von ihm
bestimmt bleiben: mens, anima, natura, materia. Durch ihr je eigenes
Zentrum sind sie mit dem Zentrum des Ganzen verbunden69. Mit
der Lichtmetapher gesagt: Gott ist absolutes Licht-Zentrum, „absolut
sich in sich selbst sammelnd“70; er geht aber auch aus sich heraus,
d. h. er erscheint als Licht-Kreis um sich selbst; Schönheit als dieser
„Strahl Gottes“ ('dei radius’, lichtmetaphorisch und geometrisch ver-
stehbar)71 erwirkt den erscheinenden Licht-Kreis und die ihm fol-
genden Kreise. Schönheit als lichthafte Erscheinung gründet also in
dem göttlichen Licht-Zentrum, von ihm her bezieht sie ihre seins-
konstitutive, formend-strukturierende Kraft. So kann Ficino Schön-
heit als den „Akt“ oder „Strahl“ bestimmen, der „Alles durchdringt“,
d. h. der in je verschiedener Lichtintensität das Seiende in sich dif-
ferenziert begründet: „den Geist mit den Ideen ziert, die Seele mit
'Gründen’ (argumentativem Denken) erfüllt, die Natur auf Samen
(die Lebenselemente) stützt, die Materie durch formende Gestalten
schmückt“72. Wie der Kreis der sinnenfälligen Welt „Bild“ (imago)
der intelligiblen Kreise ist73, so ist deren Schönheit Abglanz des ab-
soluten Lichtes oder Spiegel des „göttlichen Antzlitzes“74. Von ihm
her drängt sich dem denkenden Sehen auch der Rückschluß auf
den Urglanz oder das Urbild der 'mundi pictura’ auf75. Das Schöne
68 PT XII 3; II 164. A II 5; 152.6; 153. VI 18; 238.
69 A II 3; 147: Centrum unum omnium deus est, circuli quatuor circa deum, mens,
anima, natura, materia. 148: deus omnium centrum qui unitas simplicissima est
actusque purissimus, sese inserit universis. Zur Verbindung des je eigenen Zen-
trums der Kreise mit dem Ur-Zentrum: ebd. Für die problemgeschichtliche Her-
kunft des Gedankens ist z. B. Plotin VI 8,18 und VI 9,8 zu vergleichen.
70 De raptu Pauli XXVI; III 364.
71 A II 5; 152. VI 10; 219.
72 A II 5; 152: Mentem idearum ordine decorat. Animam rationum serie complet.
Naturam fulcit seminibus. Materiam formis exomat.
73 A II 3; 148: illorum invisibilium circulorum ... visibilis mundi circulus est
imago.
74 A V 4; 185: Vultus illius divini gratiam pulchritudinem dicimus. 186: mundi
decor ... tertius est dei vultus (das erste ist: angelus, das zweite: animus). Kom-
mentar zu Plot. I 6,6: pulchritudo id est forma per se existens idealisque ratio
quaedam et divini vultus expressio (Opera II 1577).
75 Ebd. A 185.
 
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