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Giovannini, Adalberto; Gottlieb, Gunther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 7. Abhandlung): Thukydides und die Anfaenge der athenischen Arche — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45484#0013
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Thukydides und die Anfänge der athenischen Arche 11
aber der zweite Satz entgegen: ξύμμαχοι μέντοι έγενόμεθα ούκ επί
καταδουλώσει των Ελλήνων Α,θηναίοις, άλλ’ επ’ ελευθερώσει από
του Μήδου τοΐς Έλλησιν. Die Mytilenäer sagen ausdrücklich, daß sie
nicht mit den Athenern allein, sondern mit allen Hellenen ein Bündnis
geschlossen hatten. Weiter unten wiederholen sie, sie hätten es für rich-
tig gehalten, von den Hellenen und den Athenern abzufallen11. Nun
wissen wir, daß nach der Schlacht an der Mykale und nach dem Beschluß,
den Krieg gegen Persien fortzusetzen, die Lesbier zusammen mit den
anderen Nesioten dem Hellenenbund beitraten und sich verpflichteten,
dem Bündnis treu zu bleiben (Hdt. IX 106,4). Vergleicht man die Aus-
drucksweise der Mytilenäer ξύμμαχοι μέντοι έγενόμεθα ... επ’ έλευθε-
ρώσει από του Μήδου τοΐς "Ελλησιν mit der Bezeichnung des Hellenen-
bundes als οί συνωμόται Ελλήνων έπί τω Πέρση bei Hdt. VII 148,1,
und den Hinweis auf die άπόστασις από τε των Ελλήνων bei Thuk. III,
13,1 mit dem Eid der Nesioten έμμενέειν τε καί μή άποστήσεσθαι
bei Hdt. IX 106,4, so ist man eher geneigt, in dem Bund, dem die Myti-
lenäer angehörten und von dem sie jetzt abfallen wollten, den Hellenen-
bund des Jahres 481 zu erkennen. Jedenfalls brächte ein unvoreingenom-
mener Leser, der vom delisch-attischen Seebund nichts wüßte, die Rede
der Mytilenäer selbstverständlich mit dem Beitritt der Lesbier in den
Hellenenbund im Jahre 479 in Zusammenhang. Er entnähme dem Text
des Thukydides, daß die Mytilenäer damals wie die anderen Lesbier in
den Hellenenbund aufgenommen wurden12.
So findet sich im Werk des Thukydides keine einzige Stelle, die ein-
deutig die Gründung eines neuen Bündnisses beim Übergang der Hege-
monie an die Athener bezeugt. Die Ausdrücke, mit denen die Mytile-
näer ihr Bundesverhältnis mit Athen bezeichnen, stimmen mit den Wor-
ten, die Herodot für den Hellenenbund verwendet, so genau überein,
daß man sie ganz natürlich auf den Beitritt der Nesioten in den Hellenen-
11 III 13,1: καί ένομίζομεν άποστήσεσθαι διπλήν άπόστασιν, από τε των Ελλή-
νων μή ξύν κακώς ποιεϊν αυτούς μετ’ Αθηναίων αλλά ξυνελευθεροΰν, άπό
τε Αθηναίων μή αύτοΐ διαφθαρήναι ύπ’ εκείνων εν ύστέρω αλλά προποιήσαι.
12 Eine kleine Schwierigkeit bieten die Worte άπολιπόντων μέν υμών (d.h. Sparta)
έκ τοϋ Μηδικού πολέμου; denn sie könnten so verstanden werden, daß das
Bündnis, von dem die Mytilenäer reden, nach dem Rückzug der Lakedaimo-
nier im J. 477 entstanden sei, mit dem Vertrag von 479 also nicht identisch sein
könne. Nun hatten aber die Lakedaimonier schon 479 zu verstehen gegeben,
daß sie an der Fortsetzung des Krieges nicht interessiert waren und Ionien preis-
geben wollten. Der Ausdruck άπολιπόντων υμών kann sich sehr wohl auf diese
Stellungnahme der Lakedaimonier beziehen.
 
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