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Giovannini, Adalberto; Gottlieb, Gunther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 7. Abhandlung): Thukydides und die Anfaenge der athenischen Arche — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45484#0018
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16

Adalberto Giovannini - Gunther Gottlieb

beide Begriffe keineswegs synonym sind. Der Begriff αί πόλεις ist in
den Inschriften und auch in den literarischen Texten der terminus tech-
nicus zur Bezeichnung der tributpflichtigen Verbündeten Athens (s. unten
S. 22). Oi ’Ίωνες dagegen ist zur Bezeichnung der Verbündeten Athens
zum Zeitpunkt des Hegemoniewechsels vollkommen unpassend und un-
richtig. Wenngleich die Ionier beim Abfall von Persien und beim Hege-
moniewechsel eine führende Rolle gespielt haben, sind sie nicht allein
gewesen, wie Herodot und Thukydides ganz deutlich erkennen lassen.
Beide unterscheiden die Ionier von der Gesamtheit der kleinasiatischen
Griechen sehr genau. So sind es die Ionier, die nach Mykale zum zwei-
ten Male von Persien abfallen (Hdt. IX 104. 106); aber es sind die
Hellenen, die nach dem Abzug des Leotychidas die Stadt Sestos bela-
gern (Hdt. IX 114-121). Bei Thukydides werden die Belagerer von Sestos
als „die Verbündeten aus Ionien und dem Hellespont“ bezeichnet
(I 89,2: Oi από Ιωνίας καί Ελλησπόντου ξύμμαχοι), während die
Auflehnung gegen Pausanias „von den Hellenen und nicht zuletzt von
den Ioniern und denjenigen, die neulich von Persien abgefallen waren“,
angestiftet wird (I 95,1: οϊ τε άλλοι "Ελληνες ήχΟοντο καί ούχ ήκιστα
οι ’Ίωνες καί όσοι από βασιλέως νεωστι ήλευθέρωντο). Die Über-
tragung der Hegemonie an die Athener schließlich erfolgt „mit dem Ein-
verständnis der Verbündeten“ (I 96,1: έκόντων των ξυμμάχων; siehe
auch VI 76,3: έκόντων των τε Ίώνων καί όσοι από σφών ήσαν ξύμ-
μαχοι). Man muß also annehmen, daß sich Aristoteles oder seine Quelle
flüchtig ausgedrückt haben oder daß ein Abschreiber den Fehler began-
gen hat23 (wobei man sich darauf berufen könnte, daß bei Plutarch der
Eid mit den „Hellenen“ ausgetauscht wird). Zu bemerken ist aber auch,
daß bei Aristoteles die Reihenfolge, 1. Festsetzung der Abgaben, 2. Aus-
tausch der Eide, keinen logischen Vorgang darstellt: bei Thukydides
(I 96) erfolgt die Einrichtung und Bemessung des Phoros sinngemäß
erst nach der Übertragung der Hegemonie an die Athener.
Weiter ist zu bedenken: Nach Aristoteles hatte das Bündnis den
Zweck, auf ewige Zeit24 denselben Freund und Feind zu haben. Nun ist
nach Thukydides das Ziel der Verbündeten ein ganz anderes gewesen;
ihm zufolge ging es ausschließlich um den Krieg gegen Persien: πρό-
σχημα γάρ ήν άμύνασθαι ών έπαΟον δηοΰντας τήν βασιλέως χώραν
23 Gegen ein Versehen spricht jedoch, daß schon im vorigen Satz (23,3) von den
Ioniern die Rede ist.
24 Die symbolische Bedeutung der ins Meer geworfenen μύδροι erhellt aus Herodot
I 165,2.
 
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