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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0011
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Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft

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Stellungen zu beurteilen, die vom Liberalismus beeinflußt sind. Vom
Standpunkt einer modernen parlamentarischen Demokratie und der
diese tragenden pluralistischen Gesellschaft her betrachtet, erscheint
es uns als selbstverständlich, daß die Grundlage des gemeinschaft-
lichen Zusammenlebens in der Freiheit des Einzelnen erblickt wird.
Denn nicht zufällig beginnt etwa das Grundgesetz für die Bundes-
republik Deutschland mit der Festlegung der Grundrechte für den
Einzelnen, darunter an erster Stelle mit dem Recht für jeden 'auf
die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte
anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
das Sittengesetz verstößt’ - und gleichzeitig wird auch jeder, der von
Kant etwas gehört hat, den Begriff der 'Persönlichkeit’ mit jenem
des freien Willens des Menschen verbinden. Zugleich müßte selbst
deijenige, der die Einzelperson mit Marx nur als 'ensemble der ge-
sellschaftlichen Verhältnisse’ betrachten will, zugeben, daß in unserer
heutigen Welt die Alternativen für wirtschaftliche Aktivität, Berufs-
wahl, politische Interessen, weltanschauliche Orientierung oder ein-
fach auch nur für die Gestaltung des alltäglichen Lebens nach
eigenem Geschmack dem Einzelnen einen - in der Geschichte noch
nie erreichten - breiten Spiel- und Gestaltungsraum sichern.
Die Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft Roms ließe sich
aber aufgrund der durch die Neuzeit geprägten Vorstellungen wie
unseres Begriffes der individuellen Freiheit nicht adäquat beschreiben.
Zweifellos könnten wir uns zwar auf die spätantike Rechtsauffassung
berufen, nach welcher alles Recht an erster Stelle ad personas
pertinet, wobei sich zumindest eine Gruppe der Einzelpersonen durch
die libertas auszeichnet, die nichts anderes sei als die naturalis facultas
eius quod cuique facere libet, nisi si quid aut vi aut iure prohi-
betuf. Doch müßte uns etwa die Auffassung Ciceros über den idealen
Einzelnen, der als vir bonus im Besitz aller Tugenden das officium,
quod ad coniunctionem hominum et ad societatem tuendam valet über
sämtliche Privatinteressen stellt, gerade nicht die persönliche Freiheit,
sondern die Unterordnung des Einzelnen unter einen kollektiven
Zwang als höchsten Wert erscheinen lassen: Ut enim leges omnium
salutem singulorum saluti anteponunt, sic vir bonus et sapiens et legibus
parens et civilis officii non ignarus utilitati omnium plus quam unius

tust., Inst. 1,2,12 und 1,3,1. Zur Auffassung über die Freiheit der Einzelperson
im römischen Recht vgl. F. Schulz, Prinzipien des römischen Rechts (München
1934) 95ff, bes. 99ff.
 
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