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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0016
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Geza Alföldy

aus Latium, die sonst in sprachlicher Hinsicht korrekt ist, lesen wir
nicht ohne Staunen die Widmung carissimissimissimis (sic) co(ri)iugi
et filio; in Benevent begegnen wir einem homo plus quam benignis-
simus, in Norditalien einem adulescens ... omnium rerum bonarum
meliorn. In Venusia wird ein pater... vere in se (sc. in filium) piissimus
erwähnt, was etwa an die Lobpreisung von Kaisern in der Historia
Augusta als vere natura clementissimus oder als vere summus vir er-
innert18 19. Ähnliche Formulierungen wie in den zuletzt erwähnten Fäl-
len - wo also der Wahrheitsgehalt der Behauptung von einzigartig
tugendhaften Verhaltensweisen und Leistungen beteuert wird - finden
wir auch sonst nicht selten bezeugt: Der durch seine Leistungen 'echt’
herausragende Bürger ist ein industria morum et eloquentia vere emi-
nens et rarissimus civis20, er ist άληϋώς άγαϋός oder άληϋώς φιλό-
πολις21, und selbst Kaiser Probus erscheint in einer Urkunde als
verus Gothicus verusque Germanicus22, als 'echter’ Goten- und Ger-
manenbesieger - ähnlich wie es in der Historia Augusta in der fin-
gierten Akklamation auf Severus Alexander heißt: 'vere Parthicus, vere
Persiens'23 24 25. Um die Unübertrefflichkeit und dadurch die Individualität
einzelner Verhaltensweisen und Leistungen zu betonen, scheute man
auch vor Widersprüchen in der Formulierung nicht zurück - so
etwa, wenn der Einzelne als incomparabilissimusu oder gar als super
omnes incomparabilis23 bezeichnet wurde, als ob sich Unvergleich-
barkeit ähnlich wie etwa Güte oder Großzügigkeit steigern ließe,
oder wenn eine Ehefrau als coniux inimitabilis exempli er-
scheint26, als ob der Sinn des 'exemplum' nicht gerade in seiner
Befolgbarkeit liegen würde.

18 CIL XIV 3441; CIL IX 1876 = ILS 8423; CIL V 5202.
19 CIL IX 552 (ähnliche Wendungen z. B. auch in CIL VI 10192 und 19438);
HA, AP 2,7 bzw. Q 7,2.
20 CIL IX 47.
21 IGRR III 67 (cf. 1418) und 1422.
22 CIL II 3738 = ILS 597. Vgl. dazu P. Kneißl, Die Siegestitulatur der römischen
Kaiser (Göttingen 1969) 167.
23 HA, AS 56,9. Die angeführten Stellen machen deutlich, daß der Hinweis auf
die 'wahren’ Tugenden nicht erst mit dem Christentum aufkommt wie C. Becker,
Wertbegriffe im antiken Rom - ihre Geltung und ihr Absinken zum Schlag-
wort. Münchener Universitätsreden, N.F. Heft 44 (München 1967), 12f., meinte.
24 Die Belege in TLL VII 1 (1924) 990.
25 CIL IX 1448.
26 CIL X 7586; vgl. auch CIL VIII 24095 = ILS 5361 mit inimitabilis exempli vir.
Weitere Belege für inimitabilis in TLL VII 1 (1951) 1634.
 
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