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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0019
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Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft

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Verwirklichung einer Tugend wie z. B. der pietas geliefert. Deshalb
kann in den Inschriften z. B. von parentes in exem(plum) piissimifi)
oder von den exsempla (sic) munifiic]entiae die Rede sein’9. Der
'exemplarische’ Charakter einer Verhaltensweise oder einer Handlung
ist also in deren Seltenheitswert durch die überhöhte Tugendhaftigkeit
des Einzelnen begründet - wie etwa bei Claudius II. nach der Charak-
terisierung in seiner Vita: In quo Traiani virtus, Antonini pietas,
Augusti moderatio et magnorum principum bona sic fuerunt, ut non Ule
ab aliis exemplum caperet sed, etiamsi Uli non fuissent, hie ceteris
reliquisset exemplum40. Das ist eine ähnliche ethische Höhe wie die-
jenige, die in den Inschriften nicht selten so beschrieben wird, daß
der Betreffende mit seiner Tugendhaftigkeit eben exemplo
dasteht41.
2. Hinweise auf einzigartige Verhaltensweisen und Leistungen ein-
zelner Personen. Haben die Formulierungen mit raritas und exemplum
in den Tugenden einzelner Menschen noch die Möglichkeit offen-
gelassen, daß auch andere - ebenfalls herausragende - Menschen
ähnliche außerordentliche Taten vollbringen können, so wird durch
die Adjektive singularis und unicus eine neue Dimension der Indi-
vidualität eröffnet: Der Betreffende gilt - im Prinzip - eben als
einzigartig. Nun liegt aber diese Einzigartigkeit nach der allgemein
verbreiteten Auffassung wiederum nicht in irgendwelchen ganz per-
sönlichen Eigenschaften, Interessen oder Anschauungen, sondern in
der einzigartigen Befolgung der ethischen Normen, denen jeder ver-
pflichtet ist. Denn das Adjektiv singularis ist in den Inschriften im
allgemeinen nicht unmittelbar auf den Menschen, sondern auf seine
Tugenden bezogen: So zeichnet man sich etwa durch abstinentia,
bonitas, castitas, clementia, fides, honorificentia, industria, innocentia,
iustitia, liberalitas, modestia, praestantia, prudentia, pudicitia, simplici-
tas singularis aus42, oder man ist gerade ein vir singularis omnium
National exempla virtutis in Roman Literature. Harvard Stud. CL Philol. 25,
1914, lff.; H. Komhardt, Exemplum (Göttingen 1936); A. Lumpe, RAC VI
(Stuttgart 1966) 1235 ff.
39 CIL XI 6229 bzw. CIL X 5928 = ILS 6264.
40 HA, CI. 2,3.
41 Siehe etwa CIL V 4357; CIL VI 34179 (27285/6).
42 Beispiele: CIL VI 1624 = CIL XIV 170 = ILS 1433 {abstinentia)·, CIL VIII 5146
{bonitas)', CIL XI 5270 {castitas)·, CIL V 4720 {fides et simplicitas); CIL IX 688
{honorificentia)·, CIL IX 334 = ILS 2768 {industria); CIL XI 1839 {innocentia);
CIL II 1183 {iustitia); CIL X 3764 = ILS 6341 {liberalitas et praestantia); CIL
XI 6123 {modestia); CIL II 1972 {prudentia et clementia); CIL V 4029 {pudicitia).
 
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