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Alföldy, Géza; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 8. Abhandlung): Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft des Roemischen Kaiserreiches: Erwartungen u. Wertmassstäbe ; vorgetragen am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45485#0025
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Die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft

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Wertung, wenn wir uns das brennende Interesse der römischen Ge-
sellschaft für jene Taten und Eigenschaften vergegenwärtigen, die
jemand als primus omnium oder gar als solus omnium, im Prinzip
also wirklich in personengebundener Originalität, aufbrachte. Der
Auftrieb um die erstmaligen und einmaligen Leistungen und Ver-
haltensweisen einzelner Menschen ist uns freilich auch aus anderen
Kulturen und natürlich auch aus der römischen Republik bekannt67.
Gerade aus der römischen Kaiserzeit liegt aber eine solche Fülle
von Zeugnissen für diesen Auftrieb vor, daß die hohe Einschätzung
des individuellen Beitrages durch persönliches Engagement zum Fort-
bestand der Gemeinschaft schon dadurch greifbar wird; zugleich ist
aber daran, was überhaupt als erstmalig oder einmalig an Taten und
Eigenschaften begriffen wurde, wiederum die alles beherrschende
Rolle der gesellschaftlichen Normen zu erkennen.
Den Pioniertaten der älteren Griechen und Römer wurde in der
römischen Kaiserzeit voller Bewunderung gedacht: Dion von Prusa
etwa, der auf die große Vergangenheit von Hellas so stolz war, er-
innerte sich und seine Zeitgenossen gerne an die erstmaligen und ein-
maligen Leistungen der besten und größten Ärzte oder Sportler
längst vergangener Zeiten68; Sueton und Tacitus flochten in ihre bio-
graphischen und historischen Berichte Hinweise darauf ein, welcher
Römer als erster die Meeresenge zwischen Italien und Sizilien über-
querte, welcher den ersten Sieg Roms auf See errang, welcher zuerst
die Juden besiegte, welcher zuerst Britannien mit einem Heer be-
trat69. In Pomp ei hielt man es für wichtig, sogar inschriftlich zu ver-
ewigen, daß Romulus nicht nur der Gründer Roms war, sondern
auch deijenige, der als primus dux duce hostium Acrone rege Cae-
67 Für die griechische Welt siehe Μ. N. Tod, Greek Record-Keeping and Record-
Breaking. Class. Quart. 43, 1949, 105ff.; vgl. auch Chr. Habicht, ZPE 13, 1974, 4.
Für die Republik siehe etwa Ciceros Urteil über die Rolle des Brutus bei der
Vertreibung des Tarquinius Superbus: Qui cum privatus esset, totam rem publi-
cum sustinuit primusque in hac civitate docuit in conservanda civium libertate
esse privatum neminem, De re publ. 2,46 (25); für sonstige 'Ersttaten’ in der
frühen Republik siehe noch ebd., 2,53 (21) und 2,55 (31). Es wurde bereits
während der Republik begonnen, erstmalige Leistungen auch in den Inschriften
zu rühmen. So sagte z. B. P. Popillius C. f, der Konsul des Jahres 132, von
sich u. a.: primus fecei ut de agro poplico aratoribus cederentpaastores, CIL I2 638 -
CIL X 6950 = ILS 23 = ILLRP 454 = Inscr. It. III 3, 272 (mit einem von
dem bisherigen abweichenden Identifizierungsvorschlag).
68 Dion, or. 77/78,11; 28,9; 29,3; 29,11.
69 Suet., Tib. 2,1; Tac, Ann. 2,49,1; Hist. 5,9,1; Agr. 13,1.
 
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