Metadaten

Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0050
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
48

Albrecht Dihle

Ableitungen nTEQviopög, itTEQviopa und rtTEQvioTf|g knüpfen aus-
schließlich an diese Bedeutung an.
Für ein Publikum des 2. Jh. n. C. war also hteqvi^cd in der Bedeutung
„mit einem Absatz versehen“ gewiß erklärungsbedürftig, und eben die-
se Bedeutung, die aus der Schustersprache kommt, hat das Wort, wenn
auch in metaphorischer Verwendung, an der von Phrynichos zitierten
Stelle aus einer klassisch-attischen Quelle. Hteqvy] „Schuhabsatz“ war
dagegen, wie die von Phrynichos formulierte Erläuterung zeigt, in der
Sprache des 2. Jh. n. C. geläufig. Diese Bedeutung ist sonst noch durch
Herodas (7,21) bezeugt. Dazu kommen mehrere technische Verwen-
dungen des Wortes zur Bezeichnung des unteren Teiles eines Gegen-
standes.
Phrynichos sah sich also offenbar veranlaßt, den Gebrauch des Kom-
positums ejtlkcxttvco und die Bedeutung „mit einem Absatz versehen“
für jTteovl'Coi, sowie die Übertragung dieser aus der attischen Schuster-
terminologie stammenden Wörter auf die Technik der Überarbeiter al-
ter Dramen in einem attischen Text des 5. oder 4. Jh. zu erläutern und
damit für die Literatursprache der eigenen Zeit zu empfehlen.
Was hatte der attische Autor vor Augen, den Phrynichos zitiert? Er
gehört, wie wir sahen, ins 5. oder 4. Jh., mit großer Wahrscheinlichkeit
aber nicht in die hellenistische Zeit. Deutlich ist die Beziehung auf Dra-
men, die durch die Hinzufügung neuer Partien umgearbeitet wurden
wie Schuhe, die man ausflickt. Die Dramen, um die es geht, werden jra-
kcuä bpäpaia genannt. Phrynichos faßte die Stelle also nicht als einen
in einem Einzelfall erhobenen Vorwurf des Plagiates auf, sondern als
Verweis auf eine Gepflogenheit, alte Dramen durch Umarbeitung wie
Schuhe zu erneuern, also wieder gebrauchsfähig zu machen. Daß die
Wiederaufführungen der Dramen des Aischylos , die nach 456 in den
Agonen gestattet waren, mit Überarbeitungen verbunden waren, ist ge-
wiß nicht unwahrscheinlich. Vielleicht darf man sogar die ganz isolierte
Bemerkung Quintilians im 10. Buch darauf beziehen22: Aeschylus . . .
sublimis et gravis . . . sed rudis in plerisque et incompositus; propter
quod correctas eius fabulas in certamen deferre posterioribus poetis
Athenienses permisere. Leider ist keine einzige gesicherte Wiederauf-
führung einer aischyleischen Tragödie im 5. Jh. v. C. bezeugt. Die vier
Siege, die Euphorion mit Stücken des Vaters davontrug, können auch
mit unveröffentlichten, vorher noch nicht aufgeführten Dramen errun-
gen worden sein (Tr. G. F. 12 T 1). Im übrigen gibt es keinen Hinweis

22 Diese Quintilian-Stelle (10,1,66) fehlt in Tr. G. F. I.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften