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Dihle, Albrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 2. Abhandlung): Der Prolog der "Bacchen" und die antike Überlieferungsphase des Euripides-Textes: vorgetragen am 18. November 1980 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47795#0088
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Albrecht Dihle

verkünde, daß die Stadt Theben mit Oedipus auf ihrem Boden (ooü
TtjvÖE yfjv otKoüvTog) nicht gedeihen (ov pfj jtote.sn nodtEiv)
könne.
Von einem solchen Spruch des Teiresias ist im ganzen Stück nicht die
Rede. Zwar rechnet Eteokles (765) damit, daß Oedipus „uns“ (f|päg),
d. h. doch wohl in erster Linie ihn selbst, dann aber auch seinen Bruder,
Kreon und möglicherweise die ganze Stadt, mit seinem Fluch (dpcdoi)
verderben oder töten (kcxtclktevel) könne (rjv tv/t]). Aber diese Macht
des Oedipus hängt an dem Fluch, den er über die beiden Söhne ausge-
sprochen hat, weil sie dem blinden Vater die Ehrenstellung nahmen und
ihn gefangensetzten. Das erläutert Teiresias dem Kreon in großer Aus-
führlichkeit (872ff.)2 und fügt hinzu, daß den beiden feindlichen Brü-
dern der Tod von der eigenen Hand unmittelbar bevorstehe (880). Erst
daraus ergibt sich nach der Weissagung des Teiresias die Not und Be-
drohung Thebens (88 Iff.), und die Summe des Unheils wiederum führt
der Seher letztlich auf den ungerächten Tod des Drachens zurück, den
einst Kadmos erschlug (93 Iff.) und der nun durch den Tod eines Spar-
ten gesühnt werden muß, damit sich das Unheil abwende (94Iff.). Der
Fluch des Oedipus über seine Söhne ist also nur eine vordergründige Ur-
sache für die Not der Stadt. Das alles dient zur Begründung der Menoi-
keus-Episode, zu der ein an die bloße Anwesenheit des Oedipus ge-
knüpfter Fluch für die ganze Stadt durchaus nicht passen will. Teiresias
hätte dann ja besser dem Kreon die Vertreibung des blinden Oedipus
statt die Opferung des eigenen Sohnes empfehlen müssen.
Wenn aber Kreon bei seiner Unterredung mit dem Seher einen ande-
ren Spruch, nach dem die Anwesenheit des Oedipus an allem Unglück
schuld sei, schon gekannt hätte, wäre es ihm ein leichtes gewesen, Tei-
resias’ Forderung nach dem Opfer eines Sparten mit dessen eigener
Weissagung zurückzuweisen.
Wann sollte übrigens der Spruch des Teiresias von der notwendigen
Vertreibung des Oedipus auch ergangen sein? Vor der Entzweiung der
feindlichen Brüder bestimmt nicht, wie wir sahen, und auch nicht bis zur
Tat des Menoikeus. Dann wäre, wie gesagt, die Menoikeus-Episode
sinnlos. Kreon befindet sich vom Vers 1310 an, nachdem er unmittelbar
zuvor die Nachricht vom freiwilligen Opfertod des Sohnes erhalten hat,
auf der Bühne. Er hört dann den Bericht des Boten über den Ausgang
2 Eine Emendation der Verse 878f. schlägt Jackson, Marginalia Scaenica 61 vor: ötyco rt
öo<nv (cutEiitov eqio'jptsvoc / ÖQydg x’ dcpaiQcöv); .xoia ö’ ou keycov ekt] / elc ö-//.ov f]/.-
0ov Jtaioi TOiaiv Olö'utou; Jackson stützt sich dabei auf Eur. Med. 456 und 1150.
 
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