Regio Beatitudinis
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und des Sinnes gegenüber84, auf die hin im Grunde - verborgen - jede
Aktivität des Menschen gerichtet ist und - offen, bewußt - gerichtet
sein sollte. In ihr hat der Mensch, was er will. Wenn dies eine zureichen-
de Bestimmung des Glücks sein soll, dann ist freilich das, was der
Mensch will und hat, nicht in einer so unbestimmten Allgemeinheit zu
belassen, wie sie der Satz suggeriert: „omnis, qui quod vult habet, bea-
tus est“85. Was ist dies, was er haben will, um glücklich zu sein? Aus
Augustins Denkintention, so wie sie bisher schon sich zeigte, ist ohne-
hin klar, daß es kein zeitliches, endliches, zufälliges Besitztum sein
kann, obgleich der Mensch immer wieder meint, in eben diesem und
vielleicht nur in diesem sein großes Glück zu finden: „Geld zu haben,
eine zahlreiche Familie, unbescholtene Söhne, schmucke Töchter, volle
Vorratsräume, Vieh in Fülle, keinen Einsturz - nicht der Mauer aber
auch nicht des Zaunes - keinen Tumult und Krach auf den Straßen,
sondern Ruhe, Friede, Überfluß und Fülle in den Häusern und in den
Staaten“86. Das Aufgezählte, das an Psalmenverse anknüpft, aber eben-
sosehr dem schwer leugbaren und in gewisser Hinsicht verständlichen
Willen von Zeitgenossen entspricht, mag „Glück“ bringen, aber ein
„linkes“. „Quid est, sinistra? Temporalis, mortalis, corporalis“87. Dies
aber ist genau von der Art, daß es ständig von der Angst begleitet ist,
man könne es wieder verlieren88.
2. Dem Inhalt des vermeintlichen, scheinhaften Glücks und dem in-
differenten „Glücklich ist, der hat, was er will“, steht Augustins These
emphatisch gegenüber: „Deum qui habet, beatus est“89. Vom höchsten
Sein und Gedanken als Inhalt (Deus), aber auch vom Modus her, wie
dieser Inhalt dem Menschen gegenwärtig wird und bleibt (comparare,
habere), schließt diese These all diejenigen Momente in sich, die den
Ermöglichungsgrund von Glück differenzieren. Um diese Momente zu
analysieren und so die Fülle der These deutlich zu machen, sollten ei-
gentlich die Grundzüge von Augustins Gotteslehre dargestellt werden.
Hier indes muß es bei einem Hinweis auf diejenigen Aspekte bleiben,
84 Zu egestas - plenitudo: beata vita 28ff. Über die problemgeschichtliche Implikation
dieses Gedankens vgl. W. Theiler, Forschungen zum Neuplatonismus, 192.
85 Beata vita 10. Trin. XIII 5, 8.
86 En. in Psalm. 89, 9. 143, 18.
87 Ebd.
88 Beata vita 11.
89 Ebd. Lib. arb. II 16, 41: Beata vita animae Deus est. Ebd. 13, 36: Beatus est quippe
qui fruitur summo bono. Trin. VI 5, 7: Nos autem ex ipso et per ipsum et in ipso beati.
Solil. I 1, 3. Sermo 56, 44.
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und des Sinnes gegenüber84, auf die hin im Grunde - verborgen - jede
Aktivität des Menschen gerichtet ist und - offen, bewußt - gerichtet
sein sollte. In ihr hat der Mensch, was er will. Wenn dies eine zureichen-
de Bestimmung des Glücks sein soll, dann ist freilich das, was der
Mensch will und hat, nicht in einer so unbestimmten Allgemeinheit zu
belassen, wie sie der Satz suggeriert: „omnis, qui quod vult habet, bea-
tus est“85. Was ist dies, was er haben will, um glücklich zu sein? Aus
Augustins Denkintention, so wie sie bisher schon sich zeigte, ist ohne-
hin klar, daß es kein zeitliches, endliches, zufälliges Besitztum sein
kann, obgleich der Mensch immer wieder meint, in eben diesem und
vielleicht nur in diesem sein großes Glück zu finden: „Geld zu haben,
eine zahlreiche Familie, unbescholtene Söhne, schmucke Töchter, volle
Vorratsräume, Vieh in Fülle, keinen Einsturz - nicht der Mauer aber
auch nicht des Zaunes - keinen Tumult und Krach auf den Straßen,
sondern Ruhe, Friede, Überfluß und Fülle in den Häusern und in den
Staaten“86. Das Aufgezählte, das an Psalmenverse anknüpft, aber eben-
sosehr dem schwer leugbaren und in gewisser Hinsicht verständlichen
Willen von Zeitgenossen entspricht, mag „Glück“ bringen, aber ein
„linkes“. „Quid est, sinistra? Temporalis, mortalis, corporalis“87. Dies
aber ist genau von der Art, daß es ständig von der Angst begleitet ist,
man könne es wieder verlieren88.
2. Dem Inhalt des vermeintlichen, scheinhaften Glücks und dem in-
differenten „Glücklich ist, der hat, was er will“, steht Augustins These
emphatisch gegenüber: „Deum qui habet, beatus est“89. Vom höchsten
Sein und Gedanken als Inhalt (Deus), aber auch vom Modus her, wie
dieser Inhalt dem Menschen gegenwärtig wird und bleibt (comparare,
habere), schließt diese These all diejenigen Momente in sich, die den
Ermöglichungsgrund von Glück differenzieren. Um diese Momente zu
analysieren und so die Fülle der These deutlich zu machen, sollten ei-
gentlich die Grundzüge von Augustins Gotteslehre dargestellt werden.
Hier indes muß es bei einem Hinweis auf diejenigen Aspekte bleiben,
84 Zu egestas - plenitudo: beata vita 28ff. Über die problemgeschichtliche Implikation
dieses Gedankens vgl. W. Theiler, Forschungen zum Neuplatonismus, 192.
85 Beata vita 10. Trin. XIII 5, 8.
86 En. in Psalm. 89, 9. 143, 18.
87 Ebd.
88 Beata vita 11.
89 Ebd. Lib. arb. II 16, 41: Beata vita animae Deus est. Ebd. 13, 36: Beatus est quippe
qui fruitur summo bono. Trin. VI 5, 7: Nos autem ex ipso et per ipsum et in ipso beati.
Solil. I 1, 3. Sermo 56, 44.