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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0010
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Werner Beierwaltes

vielmehr auch in der gegenwärtigen Situation von Gesellschaft und in-
dividuellem Bewußtsein an eine produktive Synthese von Reflexivität
und sinnvoller, durch eben diese Reflexivität geleiteter Praxis gebunden
zu sein.
Aus diesen Andeutungen bereits mag evident werden, daß gegenwär-
tige Reflexionen über das Glück im Vergleich mit der griechischen und
christlichen Antike Unterschiedliches intendieren und unterschiedlich
begründet sind. Dennoch ist eine Überlegung hierzu kein Geschäft von
bloß historischem Interesse: sie könnte gerade an etwas erinnern, was
der Gegenwart fehlt und ihr als Desiderat auch bewußt werden sollte.
Hier wie dort nämlich geht es um einen verantwortbaren Begriff des
Menschen und dessen Verwirklichung. Eine ausschließliche Entschei-
dung für die eine oder andere Seite wäre allerdings absurd. Die Suche
nach Korrektur gegenwärtigen Denkens durch und aus dessen eigener
Vergangenheit aber ist eine zentrale Aufgabe der Philosophie.
II
Es ist sicher kein Pauschalismus, zu sagen, daß gerade diejenigen
Grundpositionen der griechischen Philosophie, die das spätere Denken
nachhaltig bestimmten, das glückliche Leben oder das Wesen des
Glücks vom Erkennen, Wissen oder Sehen her begreifen. Philosophie
ist die argumentative Form dieses Gedankens, der in Dichtung und Re-
ligion analoge Gestalt gewinnt: diese preisen von ihren eigenen Voraus-
setzungen her das Sehen des höchsten Gegenstandes oder Geschehens
als den Zustand vollendeten Glücks.
In einem Threnos Pindars zum Beispiel gilt der Makarismos demjeni-
gen, der Einsicht gewann durch das Sehen der Mysterien, der also ein-
geweiht war in die ‘Eleusinien’:
„Glücklich, wer - nachdem er Jenes sah -
unter die Erde ging.
Er weiß des Lebens Ende,
er weiß den gottgegebenen Anfang“8.
8 Frg. 121 (Bowra):
όλβιος δστις ίδών κεϊν’ είσ’ ύπδ χθόν’·
οίδε μέν βίου τελευτάν,
οίδεν δε διόσδοτον άρχάν.
 
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