Metadaten

Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 6. Abhandlung): Regio Beatitudinis: zu Augustins Begriff des glücklichen Lebens; vorgelegt am 24. Januar 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47799#0029
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Regio Beatitudinis

27

ähnlich ist. Weil aber Wahrheit im absoluten Sinne die „höchste Ähn-
lichkeit“ des Prinzips mit sich selbst ist, höchste Übereinstimmung oder
absolute Selbstübereinkunft, deshalb kann sie als die ohne irgendeine
Unähnlichkeit, also Einheit in höchster Intensität seiende und zugleich
gestaltende „Form“ von allem, was ist, gedacht werden93. Absolute
Wahrheit ist identisch mit dem zuvor genannten Unveränderlichen,
dem „Sein selbst“ (ipsum esse). „Sein selbst“ also ist die Wahrheit (Got-
tes) selbst. „Sein selbst“ aber ist im Sinne von Augustins Auslegung des
„Ego sum qui sum“ als die Wesensaussage Gottes über sich selbst zu be-
greifen. „Sein“ ist demnach unwandelbar es selbst - im Gegensatz zu ei-
ner defizienten Form von Sein, das als welthaft-Geschaffenes von sich
her nicht in vollem Sinne es selbst ist und dies auch nie sein kann; es ist
höchstes Sein (summe oder maxime esse), dies jedoch nicht als das
Höchste innerhalb derselben Dimension, sondern vielmehr höchste In-
tensität an Einheit als Grund des Vielen; es ist „echtes“ Sein, weil es
nicht-ableitbar in sich selbst gründet (germanum esse), wahres oder ei-
gentliches Sein, weil es immer sich selbst gleich bleibt und sich als sol-
ches bewahrt (verum esse), oder aber einfaches oder reines Sein, weil es
ohne Differenz in sich und daher nur es selbst ist (simplex oder sincerum
esse94). Alle diese Aspekte des einen göttlichen Seins sind mitgemeint,
wenn dies als die Wahrheit selbst gedacht wird: als höchste Selbstüber-
einkunft oder reine Selbstidentität. Die Prädikation ‘Wahrheit’ trifft in
Gott sein „wahres“ Sein, welches „Sein selbst“ ist, seine unveränderli-
che, zeitfreie Gegenwart, das reine IST95, zugleich aber sein Prinzip-
Sein, das in seinem Sein-konstituierenden Akt gleichwohl in sich
„bleibt“. Das IST Gottes aber wird zum Maß und Impuls der Transzen-
denz-Bewegung des Menschen: „Cogita Deum, invenies est, ubi fuit et
erit esse non possit. Ut ergo et tu sis, transcende tempus“96.
Wenn jemand „Gott hat“, dann hat er in der Wahrheit auch die Weis-
heit. Die mit Wahrheit und „Sein selbst“ identische Weisheit aber ist
Christus: Verbum Patris, Dei sapientia. Aufgrund der näheren Charak-
terisierung von Weisheit also ist für den, der Gott hat, - neben den spe-
zifisch theologischen Momenten - das „höchste Maß“ (summus modus)
bestimmend geworden, ferner ist ihm - wiederum gesagt - der unwan-
delbare, aber dennoch Creative Ort der Ideen im Denken gegenwär-

93 Ver. rel. 39, 72. 43, 81.
94 W. Beierwaltes, Platonismus und Idealismus, 33.
95 in Joh. 38, lOf.
96 Ebd. 10.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften