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Werner Beierwaltes
tig97. Die Teilhabe daran oder deren Gegenwart im Erkennen aber ist
der Grund des Glücks. Durch die Identifikationsreihe: „Sein selbst“ -
Wahrheit - Weisheit - Christus ist die philosophische Suche nach
Wahrheit und Weisheit als den Konstituentien glücklichen Lebens
theologisch eingeholt und vom Argumentationsziel her transformiert.
Die philosophischen Konzepte des „Seins selbst“, des wahren Seins
oder der absoluten Wahrheit, der mit sich selbst übereinstimmenden
zeitfreien Einheit des Geistes, des sich selbst als Geist in seinen Ideen
reflektierenden Seins und des einfachhin, d. h. vor-reflexiven absoluten
Einen selbst sind in die Funktion der Theologie genommen. Absolute
Wahrheit und Weisheit oder „Sein selbst“ sind zwar nicht ohne diese ih-
re philosophischen Implikationen zu denken, ihre geschichtlich-soterio-
logische Intention — nicht durch ratio, sondern durch auctoritas vermit-
telt und geboten - geht allerdings über diese hinaus und verändert ihren
ursprünglichen Sinn.
Eine andere wesentliche Implikation des Satzes „Deum qui habet,
beatus est“ eröffnet mindestens ebenso deutlich wie Wahrheit und
Weisheit98 einen Blick auf die Struktur des Menschen, die der Qualität
des gesuchten oder ersehnten Lebens entspricht: Wenn jemand „Gott
hat“, dann hat er Unsterblichkeit. Diese Aussage ist unter einem zweifa-
chen Aspekt zu verstehen: Unsterblichkeit der Seele als Grundzug des
in die Zeitlichkeit und Sterblichkeit verflochtenen Menschen und als
Grundzug des zukünftigen - ewigen - Lebens, das einzig im wahren und
erfüllten Sinne das glückliche ist. Augustinus denkt das Phänomen der
Unsterblichkeit geradezu als eine Bedingung glücklichen Lebens, nicht
minder kann im Sinne Augustins aus der reflektierten Tatsache der Un-
sterblichkeit der Seele und der durch auctoritas zugesagten Unsterblich-
keit des Leibes ein zeitlos bleibendes, der zeithaften Geschichte trans-
zendentes glückliches Leben hoffend angenommen werden. „Das
glückliche Leben ist nicht ein Leben dieser Sterblichkeit; nicht wird es
dies geben, wenn es nicht auch Unsterblichkeit gibt. Wenn sie dem
97 Beata vita 33f. Lib. arb. II 11, 30. 12, 33. 19,52. Ord. I 11, 32. Retract. I 3,8: Selbst-
kritik (Augustinus nimmt auf Plato oder Platonici Bezug) der Identifikation von mun-
dus intelligibilis und sapientia, deren reflexive Elemente freilich trotz verbaler Oppo-
sition nicht aufzuheben sind. Die Änderung der Terminologie (vocabulum [= mundus
intelligibilis], quod ecclesiasticae consuetudini in re illa inusitatum est) verändert nicht
unbedingt auch die Sache. - Plotin hatte das Sein des ‘nus’ gemäß der ihn bestimmen-
den Identität von Denken und Sein mit ‘Weisheit’ in einem absoluten Sinne gleichge-
setzt. V 8, 4, 38: ή ουσία αυτή σοφία. Ebd. 46f: καί έστιν αυτή (seil, σοφία) τά όντα,
καί συνεγένετο („entstand zugleich“) αυτή, καί έν άμφω, καί ή ουσία ή έκεί σοφία.
98 was für den Menschen noch eingehender zu zeigen ist (vgl. unten 38).
Werner Beierwaltes
tig97. Die Teilhabe daran oder deren Gegenwart im Erkennen aber ist
der Grund des Glücks. Durch die Identifikationsreihe: „Sein selbst“ -
Wahrheit - Weisheit - Christus ist die philosophische Suche nach
Wahrheit und Weisheit als den Konstituentien glücklichen Lebens
theologisch eingeholt und vom Argumentationsziel her transformiert.
Die philosophischen Konzepte des „Seins selbst“, des wahren Seins
oder der absoluten Wahrheit, der mit sich selbst übereinstimmenden
zeitfreien Einheit des Geistes, des sich selbst als Geist in seinen Ideen
reflektierenden Seins und des einfachhin, d. h. vor-reflexiven absoluten
Einen selbst sind in die Funktion der Theologie genommen. Absolute
Wahrheit und Weisheit oder „Sein selbst“ sind zwar nicht ohne diese ih-
re philosophischen Implikationen zu denken, ihre geschichtlich-soterio-
logische Intention — nicht durch ratio, sondern durch auctoritas vermit-
telt und geboten - geht allerdings über diese hinaus und verändert ihren
ursprünglichen Sinn.
Eine andere wesentliche Implikation des Satzes „Deum qui habet,
beatus est“ eröffnet mindestens ebenso deutlich wie Wahrheit und
Weisheit98 einen Blick auf die Struktur des Menschen, die der Qualität
des gesuchten oder ersehnten Lebens entspricht: Wenn jemand „Gott
hat“, dann hat er Unsterblichkeit. Diese Aussage ist unter einem zweifa-
chen Aspekt zu verstehen: Unsterblichkeit der Seele als Grundzug des
in die Zeitlichkeit und Sterblichkeit verflochtenen Menschen und als
Grundzug des zukünftigen - ewigen - Lebens, das einzig im wahren und
erfüllten Sinne das glückliche ist. Augustinus denkt das Phänomen der
Unsterblichkeit geradezu als eine Bedingung glücklichen Lebens, nicht
minder kann im Sinne Augustins aus der reflektierten Tatsache der Un-
sterblichkeit der Seele und der durch auctoritas zugesagten Unsterblich-
keit des Leibes ein zeitlos bleibendes, der zeithaften Geschichte trans-
zendentes glückliches Leben hoffend angenommen werden. „Das
glückliche Leben ist nicht ein Leben dieser Sterblichkeit; nicht wird es
dies geben, wenn es nicht auch Unsterblichkeit gibt. Wenn sie dem
97 Beata vita 33f. Lib. arb. II 11, 30. 12, 33. 19,52. Ord. I 11, 32. Retract. I 3,8: Selbst-
kritik (Augustinus nimmt auf Plato oder Platonici Bezug) der Identifikation von mun-
dus intelligibilis und sapientia, deren reflexive Elemente freilich trotz verbaler Oppo-
sition nicht aufzuheben sind. Die Änderung der Terminologie (vocabulum [= mundus
intelligibilis], quod ecclesiasticae consuetudini in re illa inusitatum est) verändert nicht
unbedingt auch die Sache. - Plotin hatte das Sein des ‘nus’ gemäß der ihn bestimmen-
den Identität von Denken und Sein mit ‘Weisheit’ in einem absoluten Sinne gleichge-
setzt. V 8, 4, 38: ή ουσία αυτή σοφία. Ebd. 46f: καί έστιν αυτή (seil, σοφία) τά όντα,
καί συνεγένετο („entstand zugleich“) αυτή, καί έν άμφω, καί ή ουσία ή έκεί σοφία.
98 was für den Menschen noch eingehender zu zeigen ist (vgl. unten 38).