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Grimm, Tilemann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 7. Abhandlung): Sinologische Anmerkungen zum europäischen Philosophiebegriff — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47800#0009
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Sinologische Anmerkungen

7

gilt es als Äquivalent für „Ideen“ in dem Terminus „Mao Ze-dong Ide-
en“ (besser: M.-Denken).
Das Problem des Umgangs mit Philosophie im ostasiatischen Raum
ist auch seine verdeckte geschichtliche Gebrochenheit. Wir haben einen
frühen Aufbruch, der dem griechischen Aufbruch des Denkens etwa
zeitgleich ist, wir haben dann eine imperiale Zusammenfassung mehre-
rer Lehren, die in einer kosmologischen Spekulation, worin Konfuzius
Ethik und eine Welt-Herrschaftslehre eingebracht sind, konvergieren -
und wir haben dann den Einstrom indo-buddhistischen Denkens, der
wieder mit der Christianisierung des Abendlandes fast gleichzeitig ein-
hergeht.
Scheinbar formieren sich harmonisch drei Weltdeutungen mit ihren
Textüberlieferungen, die wir die konfuzianische, die taoistische und die
buddhistische nennen - und die sich jeweils fortbilden bis in die Gegen-
wart. In Wirklichkeit sind sie durchsetzt mit Brüchen, bestimmte Tradi-
tionen reißen ab, andere deformieren sich. Und auch die imposante
konfuzianische „Summa“ mit ihrem Ganzheitsentwurf, wir nennen ihn
„neo-konfuzianisch“, verdeckt die Risse und Widersprüche, die eine
späte Gelehrsamkeit des 18. u. 19. Jh. wieder aufdeckt, um den Weg
frei zu machen für authentische Aussagen der Tradition. Und eben da-
hinein beginnt die Rezipierung abendländischen Denkens, zuerst in der
Gestalt christ-katholischer Mission in China und Japan, später als Ran-
gaku (wtl. Holland-Lehre) nur in Japan, in beiden Fällen wurden Wis-
senschaften vermittelt und implizit Weltanschauung, so etwa im Sinne
der Mission, und endlich protestantische Christlichkeit, angelsächsi-
scher Utilitarismus, deutscher Idealismus, Marxismus und Leninismus
neben-, in- und gegeneinander. In all dem bekunden sich dann Ansatz-
punkte zum Umdenken, zur Ahnung einer geistigen Wende, die gleich-
wohl sich abstützt auf das eigene Erbe - wir erkennen das an der eigen-
tümlichen Form auswählender Aneignung, die gewiß nicht als Ver-
westlichung (Westernization) mißverstanden werden darf, für die
selbst der Modernisierungsbegriff noch ein zweifelhafter bleibt, da
„Modernität“ als eminent abendländischer Begriff zu verstehen ist (das
chinesische Übersetzungswort nimmt für „Moderne“ die „gegenwärtige
Epoche“, und sucht damit den Begriff zu neutralisieren) - wie auch im-
mer, das uns gegenwärtige Ostasien erscheint als ein sich modernisie-
rendes im westlichen Verständnis, und bleibt doch bis auf weiteres ver-
haftet dem Sinn und Wert des kulturellen Erbes, das es freilich aufzuar-
beiten gilt.
Diesen Vorbemerkungen, die das Fachspezifische des neuen Begriffs
 
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