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Grimm, Tilemann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 7. Abhandlung): Sinologische Anmerkungen zum europäischen Philosophiebegriff — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47800#0027
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Sinologische Anmerkungen

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sitivisten, damals, im 11. Jh. gegen die Buddhisten gewendet wie nun
gegen die Lebensphilosophen. Hu Shi, der Pragmatist und Dewey-
Schüler hat zu vermitteln gesucht, er schlug vor, eine wissenschaftlich
begründbare Lebensphilosophie ins Auge zu fassen.
Ein Mitstreiter namens Zhang Dun-sun, mit Carsun Zhang nicht ver-
wandt, der die philosophische Seite im Streit unterstützte, verurteilte
seinerseits den naiven Materialismus der damaligen Wissenschaftsgläu-
bigen, er vertrat einen, wie er selbst definierte, „objektiven Idealismus“,
der zum Teil Kant verpflichtet war, und entwickelte endlich, wie er
selbst sagte, einen „erkenntnistheoretischen Pluralismus“, ein ganz in-
teressanter Begriff, der Eklektizismus andeutet und zugleich den Weg
zu einer neuen Synthese weist. Auf einen Vorwurf in dieser Richtung
wußte er einmal pointiert zu antworten: in den Kategorien sei er Kant
gefolgt, in den Postulaten C. I. Lewis (in dem Buch „Mind and World
Order“ 1929), und seine Ordnungsvorstellung gründe er auf Eddington
und Whitehead, aber vom Standpunkt des Arrangements der Teile zu
einem integrierten System sei seine These um nichts weniger original.
Zhang Dun-sun hat als Erster systematisch westliches Denken an chine-
sischen Hochschulen vermitteln können, er hat u. a. Henri Bergson
übersetzt, so war er auch der Erste, der sich mit Komparatistik befaßte
und befassen konnte.
Wir bewegen uns hier sprachlich im Umgangs-Chinesischen, das seit
1917 nach und nach das klassische Chinesisch verdrängte. Dieser Wan-
del hatte in den zwanziger Jahren durchaus noch revolutionären Klang.
Flexibler, weil polysyllabisch geworden (die Anfänge reichen in die Zeit
der buddhistischen Mission, etwa seit dem 3./4. Jh.), konnte die moder-
ne Sprache auch flexibler übersetzen, die Begriffe ordnen sich einer of-
feneren und zugleich präziseren Syntax ein. Es ist diese Sprache, die
den neuen Denkansätzen den internationalen Bezug geben. Auf der an-
deren Seite stellt sich aber auch wieder heraus, daß die formale abend-
ländische Logik, auf deren Erfassung ein Yan Fu noch so stolz hatte
sein können, weil sie ihm eine Art grundlegender Mechanik des Den-
kens zu sein schien, für China doch wenig hilfreich war, da z. B. solche
Begriffe wie Substanz und Identität nicht existieren und Polarität, Kor-
relierung und Dialektik Denk- und Aussageformen bestimmen, auch im
modernen Kontext.
Zum Schluß seien dem Marxismus-Leninismus noch einige Worte ge-
widmet. Auch hier hat Japan den Vortritt gehabt, als man in China die
ersten Übersetzungen, das Kommunistische Manifest gehörte zu den
ersten, kennen lernte, meist als Zweitübersetzung aus dem Englischen
 
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