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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1981, 9. Abhandlung): Antike Spuren im Tübinger Wappen: zur Frage der Verwertung und Umdeutung numismatischer Motive ; vorgelegt am 13. Juni 1981 — Heidelberg: Winter, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.47802#0022
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Hildebrecht Hommel

ner Phantasie zu angenähten Aufhängeringen der Fahne (womit ohne
weiteres deren Senkrechtstellung gegeben war), und die drei Löwen-
tatzen wurden ihm zu Fransen am unteren Ende der drei Fahnenlätze.
So möchte ich denn vermuten, einem der früheren Pfalzgrafen könnte,
etwa auch in Italien, wo das Vorhandensein von Exemplaren jener
Incusenmünzen von Kroton nicht zu verwundern brauchte, eine
solche Münze in die Hände gekommen sein, und die merkwürdige,
keinesfalls alltägliche Incusen-Hohlform, einer Gemme von fern ver-
gleichbar, mag zusätzlich zu dem als Fahne mißverstandenen Bild da-
zu eingeladen haben, das Ganze unmittelbar als Siegel zu verwenden41,
dessen ansprechende Form sich bald durchgesetzt hat (Abb. 17). Spä-
tere Siegelformschneider behielten dann in der Regel jene besonderen
Kennzeichen bei, nämlich die drei Ringe, aus denen sich wie gesagt
gleichsam automatisch die Senkrechtstellung ergeben mußte (denn
eine waagrecht flatternde Fahne oder Flagge hängt man i. a. nicht an
Ringen auf), und ebenso behielt man die drei Löwentatzen (alias Fah-
nenfransen) bei. Wir hätten somit eine Erklärung der auffallenden Fah-
nen- bzw. Wappensiegel-Form gefunden, die angesichts der Pappen-
41 Eine zweckfremde Verwendung der Incusenmünzen von Kroton hat es bereits
in der Antike gegeben; man hat sie gelegentlich mit Graffiti versehen und als
Opfergaben benutzt (s. B. V. Head, Historia Numorum 21911, S. 95). Daß im
hohen Mittelalter, natürlich besonders in Italien, immer wieder antike Münzen ge-
funden und angeboten wurden, darf man voraussetzen. Was 200 Jahre später
Petrarca berichtet, wird man ähnlich auch schon fürs 12. Jahrhundert annehmen
können, Epist. de rebus familiaribus 18,8: saepe me vineae fossor Romae adiit
gemmam antiqui temporis aut aureum argenteumque nummum manu tenens ...,
sive ut emerem sive ut insculptos eorum vultus agnoscerem. Siehe dazu Maria
R. -Alföldi, Antike Numismatik I 1978, S. 6f. mit Anm. 11. Noch eingehender
E. Babelon, Traite des monnaies grecques et romaines I 1. 1901, Sp. 75ff. (hier
Sp. 83 f.) mit weiteren Beispielen und ausführlichen Literaturangaben (Petrarca,
Epist. 19,3 über eine von ihm an Kaiser Karl IV. gesandte Cäsarmünze). Aber auch
schon früher, im 11. Jh., hatte man seine Freude an Münzen zu Geschenk-
zwecken. Das lateinische Versepos Ruodlieb V. 313-330 beschreibt mit Behagen die
Verwendung und Weitergabe von byzantinischen Goldmünzen in diesem Sinn,
wobei der diebessicheren Verpackung für den Transport besondere Aufmerksam-
keit geschenkt wird. Zwar handelt es sich hier um annähernd zeitgenössisches
Geld, das aber nicht als solches, sondern als besondere Kuriosität mit ausgespro-
chenem Interesse für das Münzbild gewürdigt wird. Siehe dazu allgemein
P. E. Schramm, Herrschaftszeichen ... In: Gött. Nachrichten, Ph.-hist. Kl. 1957,
S. 101-226 (hier S. 215). Text und Übersetzung jetzt am leichtesten zugänglich
in der Reclam-Ausgabe des Ruodlieb von Fr. P. Knapp 1977, S. 58 f. mit Kom-
mentar auf S. 183 f. (vgl. a. das Nachwort S. 237).
 
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