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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0039
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Achilleus in Jerusalem

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Ägypten ebenfalls zahlreiche Darstellungen besitzen, die bis in die
ptolemäische Zeit hineinreichen. Bei der homerischen Schicksals-
wägung wurden die beiden Helden jeweils durch ihre Totendämo-
nen, die xfjpe^, häufig in Sirenenform repräsentiert, bei der Psycho-
stasie dagegen durch ihre in Gestalt winziger geflügelter
eiÖGiÄa der kämpfenden Krieger, während in der ägyptischen
Wägung beim Totengericht Herz und Maat, abgebildet durch eine
kleine menschliche Figur, gewogen wurden. Aischylos, der die
Abwägung des toten Hektor mit Gold auf der Bühne aufführte, hat
auch eine ifu/ooTacha geschrieben, in der er die Wägung der Todes-
lose auffuhren ließ47. Aischylos hat so das Waage-Motiv in doppelter
Weise auf die Bühne gebracht. Aristophanes läßt entsprechend in
den Fröschen beim Dichterwettstreit im Hades den Aischylos die
Entscheidung zwischen ihm und Euripides durch die Waage for-
dern48.
Man könnte gegen eine Verbindung der Darstellung auf dieser
späten Kanne mit der Psychostasie einwenden, daß die Abbildun-
gen der „Seelenwägung“ sich nur in der älteren Zeit und nicht mehr
auf römischen Monumenten finden49, doch mag das Motiv durch
das Theater oder auch durch Buchillustrationen in späterer Zeit
noch lebendig geblieben sein. Der so auffallend verkleinerte Leich-
nam sowie die eigenartig zerbrechliche Gestalt der Waage könnten
sich mit der Aufführung der Psychostasie und der Darstellung jener
kleinen eiöwÄa bzw. tfruxai berühren. Es wäre denkbar, daß in
szenischen Darstellungen der späten Zeit Psychostasie und Ab-
wägung des Leichnams angeglichen wurden, indem statt des toten
Hektor nur eine kleine Nachbildung auf die Waage gelegt wurde.
Eine ganz andere Möglichkeit wäre ein unmittelbarer Einfluß
ägyptischer Abbildungen. Vor allem die Form der Waage auf der
47 H. J. Mette, Der verlorene Aischylos, 1963,112.120 f. Das Drama beginnt mit der
Wägung der „4rv%ai“, während die „Phryger“ mit der Wägung Hektors und dem
Auszug der Trojer mit dem Toten schließen. Vgl. auch A. Kossatz-Deißmann,
Achilleus-Dramen des Aischylos aufwest-griechischen Vasen, 1978, 67-68.
48 E. Wüst PW XXII, 2 Sp. 1446 f. und ARW 36 (1939), 166 ff. Aristophanes, Ranae
1365-1410. Die Anspielungen auf die Phryges und die Psychostasie sind un-
übersehbar. Vgl. 1405: „zwei Wagen und zwei Leichen legt er (Aischylos) drauf4.
Führt die Psychostasie einen der Gewogenen in den Hades, so will Dionysos
durch die Wägung einen der Dichter wieder ins Leben zurückbringen.
49 Insgesamt existieren bislang nur neun Wiedergaben, sämtliche aus der ar-
chaischen und klassischen Zeit. LIMC I s. v. Achilleus Kap. XXIV S. 172 ff.
Nr. 797-806. Vgl. auch F. Studniczka, Jdl 26 (1911), 131-138.
 
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