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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 1. Abhandlung): Achilleus in Jerusalem: eine spätantike Messingkanne mit Achilleus-Darstellungen aus Jerusalem ; vorgelegt am 28. November 1981 — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47804#0062
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Martin Hengel

Die ungebrochen positive Haltung der gebildeten Christen zu dem
größten griechischen Dichter demonstrieren die führenden Ver-
treter der „Schule von Gaza“115 wie Prokopios, Zosimos und Aineas
von Gaza, der Stifter Timotheos, Chorikios sowie ihre Gönner und
Freunde. Homer gehörte immer noch zum festen Bildungsgut der
Oberschicht. Auch die Jerusalemer Kanne könnte so vielleicht
auch ein kleiner später Beitrag zu dem vielseitigen Thema „Homer
in Palästina“ sein.

3.6. Auffallend ist die schöne, schwungvolle Form der Kanne in
ihrer lentoid-ovalen, schiffsförmigen Gestalt und dem verbreiteten,
beliebten symmetrischen Akanthusornament auf beiden Seiten
des Körpers, durch das die figürlichen Darstellungen der unteren
Seite eingerahmt werden, und das sich wohl auch auf dem ver-
lorenen Henkel fortgesetzt hat (s. A. 3 u. 16). Außergewöhnlich ist
auch der vom Körper klar abgesetzte Hals, der sich zunächst ver-
jüngt und dann nach oben wieder öffnet. In unbeschädigtem Zu-
stand mit schwungvollem Henkel muß sie schon von ihrer äußeren
Gestaltung her recht ansehnlich gewesen sein und ein originelles
Profil besessen haben. Das künstlerische Niveau der Form der
Kanne scheint dabei höher zu sein als das der vier Abbildungen, die
eher durch ihre ikonographischen Eigentümlichkeiten interessant
sind. Direkte Parallelen zu dieser Kannenform haben wir in der
einschlägigen Literatur bislang nicht finden können116. Dabei ist
allerdings zu bemerken, daß Reliefkannen in der Antike und hier
wieder besonders in der Spätzeit nur relativ vereinzelt vorkommen
und sich die Verzierung in der Regel auf den - hier verlorenen -
Griff beschränkt. Ganz selten ist die abgeflachte ovale Gestalt. Am
ehesten könnte man auf die beiden klassischen Silberkannen von
Berthouville (s. A. 43) verweisen, die freilich vermutlich noch dem
1. Jh. n. Chr. angehören und mit ihrem schmalen Fuß und den
durchgearbeiteten großartigen Reliefs ungleich kunstvoller sind als
unser provinzielles, sehr spätes Stück. Sie vertreten die große Tra-
115 Dazu K. Seitz, Die Schule von Gaza, Diss. Heidelberg 1912; G. Downey, Gaza
in the Early Sixth Century, Norman, 1963, 106 ff.
116 Frau Dagmar Stutzinger vom Römisch-Germanischen Museum beantwortete in
freundlicher Weise eine Anfrage vom 17. 9. 80: „Kannen mit S-förmigem Profil
und angesetztem Halsteil sind zwar im 2. und 3. Jh. eine gängige Form, sie
können aber kaum als Vorbild oder Vorgänger Ihrer späten, schifförmigen Kanne
betrachtet werden.. . . Vorerst muß die Kanne wohl noch als Unikum betrachtet
werden.“
 
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