P. J. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht
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II
Wenn Feuerbach als ein wichtiger Vorläufer und Vertreter des
Bestimmtheitsgrundsatzes angesehen wird, in der Theorie seiner
Schriften, in der Praxis seiner Urheberschaft des Bayerischen Straf-
gesetzbuchs von 181316, so ist doch Vorsicht geboten. Seine Straf-
rechtstheorie stellt den Bestimmtheitsgrundsatz in einen Zusammen-
hang, der von der heutigen Auffassung zu Art. 103 Abs. II GG
völlig abweicht. Und diese Strafrechtstheorie wiederum steht in einem
Spannungsverhältnis zu seiner Staatsauffassung. Von seiner straf-
rechtstheoretischen Begründung soll nun die Rede sein.
Die drei genannten Sätze - nulla poena sine lege, nulla poena
sine crimine, nullum crimen sine poena legali -, in welchen das
Bestimmtheitserfordemis festgestellt wird17, werden von Feuerbach
untergeordnete Grundsätze genannt18. Das scheint ein Widerspruch zu
sein; denn entweder ist ein Satz untergeordnet, also Folgerung,
oder er ist Grundsatz19. Das Bestimmtheitserfordemis des Straf-
16 Zu Feuerbachs Strafgesetzentwurf von 1807: Geisel, Der Feuerbachsche Entwurf
von 1807. Sein Strafensystem und dessen Entwicklung, Diss. 1929. Über den
Strafgesetzentwurf von 1824: Oehler, Wurzel, Wandel und Wert der strafrecht-
lichen Legalordnung, 1950, S. 139; Schubert, Feuerbachs Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1824, 1978, mit Ab-
druck des (unvollendeten) Entwurfs auf S. 235-302.
17 Feuerbach (Revision I S. 264-269) ging konsequent davon aus, daß der Sinn
des Gesetzes vollständig „in dessen Worten enthalten“ sei. Interpretation ist daher
ihm nur eng begrenzt vorstellbar. Daraus folgt auch das Kommentierungsverbot.
Vgl. Feuerbach, Gutachtliche Erinnerungen, Biographischer Nachlaß I S. 240:
„Ein solcher Commentar oder auch Motive, welche in das Gebiet eines Commen-
tars ausschweifen, wären das nutzloseste und gefährlichste Werk, ein wahres Grab
der neuen Gesetzgebung ...“. Dazu gehört auch, daß die Zweckmäßigkeit eines
Gesetzes von seiner Einfachheit abhängt (Revision II S. 202). Aus dieser Vor-
bestimmung folgt dann die eingeschränkte Stellung des Richters (vgl. Grünhut
(o. Anm. 12), S. 173-175) sowie die Struktur der Rechtswissenschaft.
Diese unterliegt (vgl. Über Philosophie und Empirie S. 80) drei formellen Be-
dingungen:
1. Richtigkeit, genaue Bestimmtheit,
2. innerer Zusammenhang der Rechtssätze,
3. innerer Zusammenhang der Rechtslehren.
18 Lehrbuch (o. Anm. 4), S. 19 (§ 20).
19 Revision I S. 185/186. Diese Stellung erweist auch der Vergleich mit den drei
angeführten (o. Anm. 4) Vorläufer-Grundsätzen der „Revision“.
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Wenn Feuerbach als ein wichtiger Vorläufer und Vertreter des
Bestimmtheitsgrundsatzes angesehen wird, in der Theorie seiner
Schriften, in der Praxis seiner Urheberschaft des Bayerischen Straf-
gesetzbuchs von 181316, so ist doch Vorsicht geboten. Seine Straf-
rechtstheorie stellt den Bestimmtheitsgrundsatz in einen Zusammen-
hang, der von der heutigen Auffassung zu Art. 103 Abs. II GG
völlig abweicht. Und diese Strafrechtstheorie wiederum steht in einem
Spannungsverhältnis zu seiner Staatsauffassung. Von seiner straf-
rechtstheoretischen Begründung soll nun die Rede sein.
Die drei genannten Sätze - nulla poena sine lege, nulla poena
sine crimine, nullum crimen sine poena legali -, in welchen das
Bestimmtheitserfordemis festgestellt wird17, werden von Feuerbach
untergeordnete Grundsätze genannt18. Das scheint ein Widerspruch zu
sein; denn entweder ist ein Satz untergeordnet, also Folgerung,
oder er ist Grundsatz19. Das Bestimmtheitserfordemis des Straf-
16 Zu Feuerbachs Strafgesetzentwurf von 1807: Geisel, Der Feuerbachsche Entwurf
von 1807. Sein Strafensystem und dessen Entwicklung, Diss. 1929. Über den
Strafgesetzentwurf von 1824: Oehler, Wurzel, Wandel und Wert der strafrecht-
lichen Legalordnung, 1950, S. 139; Schubert, Feuerbachs Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern aus dem Jahre 1824, 1978, mit Ab-
druck des (unvollendeten) Entwurfs auf S. 235-302.
17 Feuerbach (Revision I S. 264-269) ging konsequent davon aus, daß der Sinn
des Gesetzes vollständig „in dessen Worten enthalten“ sei. Interpretation ist daher
ihm nur eng begrenzt vorstellbar. Daraus folgt auch das Kommentierungsverbot.
Vgl. Feuerbach, Gutachtliche Erinnerungen, Biographischer Nachlaß I S. 240:
„Ein solcher Commentar oder auch Motive, welche in das Gebiet eines Commen-
tars ausschweifen, wären das nutzloseste und gefährlichste Werk, ein wahres Grab
der neuen Gesetzgebung ...“. Dazu gehört auch, daß die Zweckmäßigkeit eines
Gesetzes von seiner Einfachheit abhängt (Revision II S. 202). Aus dieser Vor-
bestimmung folgt dann die eingeschränkte Stellung des Richters (vgl. Grünhut
(o. Anm. 12), S. 173-175) sowie die Struktur der Rechtswissenschaft.
Diese unterliegt (vgl. Über Philosophie und Empirie S. 80) drei formellen Be-
dingungen:
1. Richtigkeit, genaue Bestimmtheit,
2. innerer Zusammenhang der Rechtssätze,
3. innerer Zusammenhang der Rechtslehren.
18 Lehrbuch (o. Anm. 4), S. 19 (§ 20).
19 Revision I S. 185/186. Diese Stellung erweist auch der Vergleich mit den drei
angeführten (o. Anm. 4) Vorläufer-Grundsätzen der „Revision“.