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Bohnert, Joachim; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1982, 2. Abhandlung): Paul Johann Anselm Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht — Heidelberg: Winter, 1982

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https://doi.org/10.11588/diglit.47805#0014
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Joachim Bohnert

mehr und nichts weniger, die Zufügung hat keinen eigenen Zweck.
Feuerbach erkennt nur die Abschreckungswirkung aller durch das
Gesetz an, die Generalprävention. Alle anderen Strafzwecke, vor allem
die Spezialprävention, die Vergeltung, die Abschreckung anderer
durch den Vollzug der Strafe, gar die moralische Besserung des
Täters werden zurückgewiesen30 und oft mit Begründungen verwor-
fen, deren Überzeugungskraft auch unsere Gewöhnung an verschie-
dene „Vereinigungstheorien“ der Strafzwecke31 noch wankend machen
könnte32.
Was hier skizziert wurde, ist die berühmte „psychologische Zwangs-
theorie“ Feuerbachs33. Zu ihr steht das Bestimmtheitserfordemis des
Strafgesetzes in einer Beziehung, die weiterer Aufklärung bedarf.
Immerhin so viel war schon mitgeteilt, daß die Abschreckungs-
Zwangswirkung durch das Gesetz und nur durch dieses ausgeübt
werden soll34. Aus diesem Grund ist im Strafrecht das Gesetz als

Kants gegen Beccaria (Metaphysik der Sitten, A 202, B 232 (Weischedel IV
S. 457)). In „Über die Strafe“ von 1800 etwa führt Feuerbach aus, daß der Täter
zwar nicht wirklich einwilligen müsse, aber durch das Recht verpflichtet sei,
sich der Strafe zu unterziehen. Wollte die „Zustimmungstheorie“ das Recht zur
Bestrafung aus dem Willen des Täters selbst begründen, hält Feuerbach noch der
Form nach wenigstens an der Pflicht des Täters, sich der Strafe zu unterziehen,
fest. Damit ist aber nur wieder die Tautologie der .SW/uvbegründung des Rechts
durch sich, bzw. seinen Setzungsakt, gegeben.
30 Revision I S. XIXf., 30ff.; Anti-Hobbes, S. 208-210; Über die Strafe, S. 61f.
31 Vgl. BVerfGE 45, 187 (254-259); zum Theorienstand: Jescheck, Lehrbuch des
Strafrechts, AT, 3. Auf!., S. 51, 59f. m.w.N: S. 61 in FN 65 und (ausländische
Theorien) S. 60 in FN 64; Maurach-Zipf, Deutsches Strafrecht, AT Teilbd. 1,
5. Aufl., S. 65f., 73; Schmidhäuser, Strafrecht, AT, 2. Aull., S. 47f., 51 („diffe-
renzierende Straftheorie“); Roxin, JuS 1966, S. 387.
32 In seinem Lehrbuch (S. 95 (§ 133)) gleicht Feuerbach die Einseitigkeit etwas
aus, indem er die Generalprävention als Hauptzweck. zwar nach wie vor setzt,
daneben aber noch die drei Nebenzwecke anerkennt:
1. unmittelbare Abschreckung durch den Anblick der Zufügung,
2. Sicherung des Staats vor dem bestraften Verbrecher,
3. die rechtliche Besserung des Bestraften.
33 Vgl. insbesondere: Revision I S. 40: „Der Staat muß sich solcher Mittel bedienen,
durch welche es den Bürgern psychologisch unmöglich wird, zu schaden.“ Zu
einer früheren Fassung des Zwangsbegriffs: Anti-Hobbes, S. 212, 217; dieser
vorausgehend: Feuerbach, Kritik des natürlichen Rechts als Propädeutik zu einer
Wissenschaft der natürlichen Rechte, 1796, Neudr. Darmstadt 1963, S. 165/166.
34 Revision I S. 46, 49, 93, 113; Bockelmann, Studien zum Täterstrafrecht, 1939,
S. 22, 23.
 
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