P. J. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht
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wir sind, nach Feuerbachs Auskunft46, genötigt, in dem Gebiete des
Rechts Deterministen zu sein.
Blicken wir zur Ausgangsfrage nach dem Grund des Bestimmt-
heitserfordemisses aller Strafgesetze zurück, wird nun der Grund
dieses Verlangens nach genauer Förmlichkeit deutlicher. Gerade
weil nämlich der Mensch in strafrechtlicher Hinsicht nicht frei ist,
kann seine Handlung zumindest nicht der einzige Ansatzpunkt der
Strafe sein. Infolgedessen ist es nur konsequent gedacht, zunächst
das Gesetz und erst in untergeordneter Weise die Tat und den Täter
zum Maßstab der Strafe zu machen. Diese wird dem Täter nur des-
halb zugefugt, weil er eine Handlung beging, weil diese Handlung
das Gesetz negierte, und weil dieses Gesetz für diese bestimmte
Handlung diese bestimmte Strafe diktierte. Die Bestimmtheit des
Strafgesetzes war darum kein Ergebnis einer Betrachtung des posi-
tiven Strafrechts, sondern ein Postulat der Theorie47.
Die Folge dieser Auffassung war eine Schwäche von Feuerbachs
Zurechnungslehre, die er, der Wortgewaltige, denn auch als Stachel
seiner Theorie empfand und heftig als ein Längstgelöstes zu behaup-
ten suchte.
Wenn sich nämlich Strafanlaß, Strafzweck und Strafgesetz auf das
menschliche Verhalten beziehen, und wenn dieses menschliche Ver-
halten ganz als notwendiges verstanden wird, bewegt sich die Aus-
einandersetzung zwischen Gesetz und Mensch ganz in der Natur.
Natur ist Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit umfaßt den Menschen
als ein einzelnes Glied in der Kette unüberschaubar vieler Abläufe.
So lange der Mensch in sich nicht die Fähigkeit findet, absoluter
Anfang der Kausalität, das aber heißt: frei zu sein48, gehört ihm auch
die Handlung nicht, deren Begehung ihm das Gesetz verbietet.
46 Revision II S. 134 FN; S. 105.
47 Grünhut (o. Anm. 12), S. 29.
48 Revision I S. 319.
Für Kant folgen Recht und Moral beide aus der gesetzgebenden praktischen Ver-
nunft, d.h. dem Vermögen der Freiheit. Ihre Unterscheidung liegt zum einen Teil
im Gegenstand, in bezug auf diejenigen (äußeren) Handlungen, die für eine äußere
Gesetzgebung zugänglich sind, und solchen Handlungen, für die eine äußere
Gesetzgebung unmöglich ist. Zum andern Teil (d.h. innerhalb der Handlungen,
für die eine äußere Gesetzgebung möglich ist) liegt der Unterschied zwischen
Recht und Moral in der Triebfeder zur Handlung.
Gleich sind sich Feuerbach und Kant darin, daß die Antriebe der Sinnlichkeit
ins Subjektiv-Empirische gehören, also verschieden sind oder sein können. Un-
gleich darin, daß für Kant die praktisch-gesetzgebende Vernunft als das Vermögen
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wir sind, nach Feuerbachs Auskunft46, genötigt, in dem Gebiete des
Rechts Deterministen zu sein.
Blicken wir zur Ausgangsfrage nach dem Grund des Bestimmt-
heitserfordemisses aller Strafgesetze zurück, wird nun der Grund
dieses Verlangens nach genauer Förmlichkeit deutlicher. Gerade
weil nämlich der Mensch in strafrechtlicher Hinsicht nicht frei ist,
kann seine Handlung zumindest nicht der einzige Ansatzpunkt der
Strafe sein. Infolgedessen ist es nur konsequent gedacht, zunächst
das Gesetz und erst in untergeordneter Weise die Tat und den Täter
zum Maßstab der Strafe zu machen. Diese wird dem Täter nur des-
halb zugefugt, weil er eine Handlung beging, weil diese Handlung
das Gesetz negierte, und weil dieses Gesetz für diese bestimmte
Handlung diese bestimmte Strafe diktierte. Die Bestimmtheit des
Strafgesetzes war darum kein Ergebnis einer Betrachtung des posi-
tiven Strafrechts, sondern ein Postulat der Theorie47.
Die Folge dieser Auffassung war eine Schwäche von Feuerbachs
Zurechnungslehre, die er, der Wortgewaltige, denn auch als Stachel
seiner Theorie empfand und heftig als ein Längstgelöstes zu behaup-
ten suchte.
Wenn sich nämlich Strafanlaß, Strafzweck und Strafgesetz auf das
menschliche Verhalten beziehen, und wenn dieses menschliche Ver-
halten ganz als notwendiges verstanden wird, bewegt sich die Aus-
einandersetzung zwischen Gesetz und Mensch ganz in der Natur.
Natur ist Notwendigkeit. Diese Notwendigkeit umfaßt den Menschen
als ein einzelnes Glied in der Kette unüberschaubar vieler Abläufe.
So lange der Mensch in sich nicht die Fähigkeit findet, absoluter
Anfang der Kausalität, das aber heißt: frei zu sein48, gehört ihm auch
die Handlung nicht, deren Begehung ihm das Gesetz verbietet.
46 Revision II S. 134 FN; S. 105.
47 Grünhut (o. Anm. 12), S. 29.
48 Revision I S. 319.
Für Kant folgen Recht und Moral beide aus der gesetzgebenden praktischen Ver-
nunft, d.h. dem Vermögen der Freiheit. Ihre Unterscheidung liegt zum einen Teil
im Gegenstand, in bezug auf diejenigen (äußeren) Handlungen, die für eine äußere
Gesetzgebung zugänglich sind, und solchen Handlungen, für die eine äußere
Gesetzgebung unmöglich ist. Zum andern Teil (d.h. innerhalb der Handlungen,
für die eine äußere Gesetzgebung möglich ist) liegt der Unterschied zwischen
Recht und Moral in der Triebfeder zur Handlung.
Gleich sind sich Feuerbach und Kant darin, daß die Antriebe der Sinnlichkeit
ins Subjektiv-Empirische gehören, also verschieden sind oder sein können. Un-
gleich darin, daß für Kant die praktisch-gesetzgebende Vernunft als das Vermögen