P. J. Feuerbach und der Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht
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Und er fährt fort:65
„Freiheit und Unabhängigkeit von Naturursachen ist ein übersinn-
licher intelligibler Begriff, der für unseren Verstand gar keine Be-
deutung hat, dessen Realität wir zwar annehmen müssen, von dem
wir aber durchaus keinen theoretischen Gebrauch machen können.“
Bis zu diesem Punkt stimmt Feuerbach mit Kant weithin überein,
aber er folgert daraus66, „daß der Begriff der Freiheit seiner Natur
nach durchaus bloß in der Moral seine Bedeutung habe, bloß in
ihr einheimisch sei und durchaus nicht in ein anderes Gebiet her-
übergezogen werden könne.“ Feuerbach trennt also die Bereiche des
Rechtlichen und Moralischen, in welchen beiden auch der Mensch
steht, jedoch er trennt sie so, als könne der Mensch im einen Bereich
frei, im anderen aber nur unfrei sein. War für Kant der Kategorische
Imperativ der Beweis dafür, daß der Mensch in praktischer Hinsicht
überhaupt frei sei, so teilt Feuerbach dagegen die praktische Sphäre
selbst in die rechtliche und moralische, mit der Folge einer absoluten
Spaltung nicht nur der theoretischen Hinsicht, sondern auch der Be-
stimmung des Menschen selbst67.
Ein solcher prinzipieller Mißgriff kann nicht damit erklärt werden,
daß Feuerbach etwa Kant mißverstanden habe. Ebensowenig, daß ihm
die Abweichung von Kant hätte verborgen bleiben können. Dafür
stand das Problem an viel zu zentraler Stelle, und Feuerbach hat
die These ausführlich und wiederholt aufgegriffen. Er mußte also
andere Gründe haben, die ihn diese Schwachstelle seiner Argumen-
tation in Kauf nehmen ließen. Ausgeführt hat er die Gründe nicht.
Wir sind daher auf den systematischen Zusammenhang seines Den-
kens angewiesen.
Daß die psychologische Zwangstheorie, Feuerbachs Begriff des
Strafgesetzes und sein Bestimmtheitsgrundsatz auf den Determinis-
mus im Strafrecht zulaufen, habe ich soeben dargestellt. Die Frage
65 Revision I S. 321.
66 Revision II S. 89ff., 121, 129, 131, 147, 362/363; ebenso Revision I S. 74, 319-321;
Über die Strafe, S. 16-18; am prägnantesten ist vielleicht die Formulierung in
Revision II S. 107: „Bloß durch das Sittengesetz wird die Realität der Freiheit
begründet; sie kann daher auch keine Realität haben als nur für das Sitten-
gesetz.“
67 Kritisch hierzu: Döring (o. Anm. 44), S. 45, 46 und Grünhut (o. Anm. 12),
S. 80-86. Gegen diese Kritik: Hartmann (o. Anm. 21), S. 106f., dem darin recht
zu geben ist, daß der „zwiespältige Charakter der kantischen Philosophie“ (S. 107)
bei dem Freiheits- und Rechtsproblem verschiedenartige Interpretationen zuläßt.
Nicht aber eine Strafrechtstheorie auf der Basis des Determinismus.
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Und er fährt fort:65
„Freiheit und Unabhängigkeit von Naturursachen ist ein übersinn-
licher intelligibler Begriff, der für unseren Verstand gar keine Be-
deutung hat, dessen Realität wir zwar annehmen müssen, von dem
wir aber durchaus keinen theoretischen Gebrauch machen können.“
Bis zu diesem Punkt stimmt Feuerbach mit Kant weithin überein,
aber er folgert daraus66, „daß der Begriff der Freiheit seiner Natur
nach durchaus bloß in der Moral seine Bedeutung habe, bloß in
ihr einheimisch sei und durchaus nicht in ein anderes Gebiet her-
übergezogen werden könne.“ Feuerbach trennt also die Bereiche des
Rechtlichen und Moralischen, in welchen beiden auch der Mensch
steht, jedoch er trennt sie so, als könne der Mensch im einen Bereich
frei, im anderen aber nur unfrei sein. War für Kant der Kategorische
Imperativ der Beweis dafür, daß der Mensch in praktischer Hinsicht
überhaupt frei sei, so teilt Feuerbach dagegen die praktische Sphäre
selbst in die rechtliche und moralische, mit der Folge einer absoluten
Spaltung nicht nur der theoretischen Hinsicht, sondern auch der Be-
stimmung des Menschen selbst67.
Ein solcher prinzipieller Mißgriff kann nicht damit erklärt werden,
daß Feuerbach etwa Kant mißverstanden habe. Ebensowenig, daß ihm
die Abweichung von Kant hätte verborgen bleiben können. Dafür
stand das Problem an viel zu zentraler Stelle, und Feuerbach hat
die These ausführlich und wiederholt aufgegriffen. Er mußte also
andere Gründe haben, die ihn diese Schwachstelle seiner Argumen-
tation in Kauf nehmen ließen. Ausgeführt hat er die Gründe nicht.
Wir sind daher auf den systematischen Zusammenhang seines Den-
kens angewiesen.
Daß die psychologische Zwangstheorie, Feuerbachs Begriff des
Strafgesetzes und sein Bestimmtheitsgrundsatz auf den Determinis-
mus im Strafrecht zulaufen, habe ich soeben dargestellt. Die Frage
65 Revision I S. 321.
66 Revision II S. 89ff., 121, 129, 131, 147, 362/363; ebenso Revision I S. 74, 319-321;
Über die Strafe, S. 16-18; am prägnantesten ist vielleicht die Formulierung in
Revision II S. 107: „Bloß durch das Sittengesetz wird die Realität der Freiheit
begründet; sie kann daher auch keine Realität haben als nur für das Sitten-
gesetz.“
67 Kritisch hierzu: Döring (o. Anm. 44), S. 45, 46 und Grünhut (o. Anm. 12),
S. 80-86. Gegen diese Kritik: Hartmann (o. Anm. 21), S. 106f., dem darin recht
zu geben ist, daß der „zwiespältige Charakter der kantischen Philosophie“ (S. 107)
bei dem Freiheits- und Rechtsproblem verschiedenartige Interpretationen zuläßt.
Nicht aber eine Strafrechtstheorie auf der Basis des Determinismus.