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Burkert, Walter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 1. Abhandlung): Die orientalisierende Epoche in der griechischen Religion und Literatur: vorgetragen am 8. Mai 1982 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47812#0072
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Walter Burkert

der Pest, „er besprengte das Volk mit Lorbeerzweigen, begann den Gesang ...
Das Volk sprach den Refrain“; Kallimachos läßt Branchos selbst die Formel, die
die Menschen nicht verstehen, zwei- oder dreimal sprechen25. Ist hier eine Fremd-
sprache im Spiel? Eine andere, drastische Reinigungsprozedur ist das 'Abreiben’,
άπομάττειν. Demosthenes erwähnt den Terminus in seiner Invektive gegen die
Mutter des Aischines, die Reinigungspriesterin; die Lexika erklären, daß die zu
Reinigenden mit Lehm und Spreu umkleistert und dann abgeschabt wurden.
Den 'Reiniger des Heeres, Kenner der άπομάγματα’ nennt auch Sophokles26.
Das 'Abwischen’, kuppuru - in der Regel mit Teig (lisu) - ist aber auch eine
wohlbezeugte Praxis der mesopotamischen Reinigungspriester27; wie wichtig die
Hantierung war, spiegelt sich darin, daß dieser Wortstamm im Hebräischen die
Reinigung schlechthin, auch ohne die entsprechende Praxis, bezeichnet: Yorn
Kippur ist der 'Tag der Reinigung’. Die Praxis selbst verbindet das Akkadische
gerade mit dem Griechischen. Eine Reinigungssubstanz, die in östlichen Texten
oft erwähnt wird, ist Asphalt; άσφαλτος gehört aber auch zur Ausstattung der
Hexen des Sophron28. Wie man mit einer Zwiebel 'reinigt’, indem man sie zer-
blättert, wird ausführlich im akkadischen Text vorgeschrieben; im Griechischen
heißt die entsprechende Zwiebel nach Epimenides29.
Rückstände von der Reinigung müssen entsorgt werden: „Sie warfen die λύματα
ins Meer“, so die Ilias (1, 314). Auch der babylonische Beschwörer kann das
Wasser mit „allem Bösen“ wegschütten30 - andere freilich müssen sich hüten,
damit in Kontakt zu kommen Besser, man verwendet einen Topf, in dem auch
die zuvor hergestellten magischen Figuren sicher eingeschlossen werden31. Ent-
sprechend stellt man auch im Griechischen für „diejenigen, die die Städte reini-
gen“, einen Topf bereit, der φαρμάκη heißt32. Die Reste, auch die Kohlen vom
Opferbrand, werden in Mesopotamien „an eine wüste Stelle geworfen“, „in ver-
fallene Wüsteneien begraben“, „in der Steppe unter einem Dornbusch deponiert“33.
25 Apollodoros von Kerkyra bei Clem. Str. 5, 48, 4; Kallimachos Fr. 194, 26-31.
26 Demosth. 18, 259; Harpokr. άπομάττων. Sophokles Fr. 34 Radt: στρατού καθαρτής
κάπομαγμάτων ’ίδρις. Tatsächlicher Fall der Reinigung eines Heeres: Xen. Anab. 5, 7, 35.
27 Zimmern (1901) 92; AHw 442f.; Schrank (1908) 81-8.
28 Kupru AHw 509 - Sophron Fr. 5 Kaibel, -* Anm. 17.
29 Surpu 1, 13; 18; rev. 9'; 5, 60-72 - σκίλλη Έπιμενίδειος Theophr. h. plant. 7, 2, 1 vgl.
Char. 16, 14; Kratinos Fr. 250 Kassel-Austin, Diphilos Fr. 126, 3 Kock (-> Anm. 17).
30 Surpu 8, 89f.: Maqlü 7, 81.
31 Ebeling (1931) 80-2, Nr. 21, 1-38; 138 Nr. 30 C 9.
32 φαρμάκη· ή χύτρα, ήν ήτοίμαζον τοΐς καϋαίρουσι τάς πόλεις, Hsch. In der Querolus-
Komödie (p. 38, 10-15 Ranstrand) verlangt der angebliche Magier nach einer arcula
inanis..in qua lustrum illud exporteturforas; auf Menander zurückgeführt von K. Gaiser,
Menandros Hydria, Abh. Heidelberg (1977, 1) 179-86.
33 Ebeling (1931) 138 Nr. 30 C 11 ana hurbätp id. 82 Nr. 21, 38 ina hurtü nadütr, Surpu
7, 64ff. 'Dornbusch’. Vgl. Ebeling (1919) I 33 = Castellino (1977) 633.
 
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