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Hengel, Martin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1984, 3. Abhandlung): Die Evangelienüberschriften: vorgetragen am 18. Oktober 1981 — Heidelberg: Winter, 1984

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https://doi.org/10.11588/diglit.47814#0015
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Die Evangelienüberschriften

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Das vierte Evangelium hat auch später noch einzelne Gegner, da
es von den Gnostikern und dann auch von den Montanisten in be-
sonderer Weise geschätzt wurde und den Synoptikern widersprach20.
Gegen das Junktim von Festlegung des Viererkanons und Ein-
führung der Überschriften spricht weiter die Tatsache, daß die Reihen-
folge der vier Evangelien in der Frühzeit im Gegensatz zum Titel
mc/zt einheitlich war. Zahn zählt in seiner Kanonsgeschichte sieben
verschiedene Anordnungsmöglichkeiten auf, die in der alten Über-
lieferung - freilich mit sehr verschiedenem Gewicht - bezeugt sind21.
Die wichtigste Variante, die sich im Cod D erhalten hat - Joh, Mt,
Lk, Mk -, geht von der kirchlichen Hochschätzung aus. Die Ord-
nung, die sich dann durchgesetzt hat: Mt, Mk, Lk, Joh, erscheint schon
bei Irenäus (haer. 3,1,1) und anderen nach ihm als zeitliche Folge
der Entstehung.
Diese wechselnde Reihenfolge erklärt sich gerade für die frühe
Zeit daraus, daß zunächst in der Regel nur eine Evangelienschrift in
einem Codex enthalten war und man die Evangelien entsprechend
beliebig zueinander ordnen konnte. Die Zusammenfassung von allen
vier Evangelien begegnet uns in den frühen Papyri selten; ein so
großer Codex wie P. 45 mit Mt, Mk, Lk, Joh und Apg, der 220
Seiten umfaßte, bildete eine Ausnahme22. Diese Variabilität war eine
Folge davon, daß die einzelnen Evangelien, entsprechend ihrer Be-
liebtheit, in sehr verschiedener Häufigkeit gebraucht wurden. Unter
den 20 Evangelienpapyri Ägyptens aus vorkonstantinischer Zeit steht
mit elf Fragmenten Joh an erster Stelle, Mt folgt auf dem Fuß mit
neun, Lk erreicht nur vier, und Mk muß sich mit dem einen Vor-
kommen in dem großen Chester-Beatty-Codex begnügen. Das gnosti-
sierende, apokryphe Thomasevangelium ist mit drei Fragmenten in der
ägyptischen Chora häufiger vertreten als Markus23.
20 S. u.a. Irenäus, haer. 3,11,9. Zum ganzen jetzt S. G. Hall, Art. Aloger, TRE 2,
1978, 290-295.
21 Geschichte des neutestamentlichen Kanons, II. Urkunden und Belege zum ersten
und dritten Band, 1. Hälfte, Erlangen und Leipzig 1890, 364IE.
22 K. Aland, op. cit. (Anm. 13) 269ΙΓ. (270).
23 C. H. Roberts, op. cit. (Anm. 16) 61f. Auffallend ist freilich dabei, daß die vier
Evangelien im Gegensatz zu anderen Schriften nie “in a 'mixed’ codex” (61) mit
kanonischen und nichtkanonischen Schriften erscheinen. Dies weist auf einen
Vorrang der Evangelien hin. Zum Problem vgl. auch ders., The Birth of the
Codex, 1983, 62-66. Die von Roberts genannten Zahlen müssen jetzt für Joh noch
durch P. Oxy. 50, 1983, 2523 s.u. Anm. 97 ergänzt werden.
 
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