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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 3. Abhandlung): Zeit und Geschichte bei Augustin: vorgetragen am 14. Juli 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47817#0029
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Zeit und Geschichte bei Augustin

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las iam vel minutissimas momentorum partes dividi possit, id solum
est, quod praesens dicatur; quod tarnen ita raptim a futuro in praeteri-
tum transvolat, ut nulla morula extendatur. nam si extenditur, dividi-
tur in praeteritum et futurum: praesens autem nullum habet spatium“
(conf. 11,15, 20; vgl. den ganzen Abschnitt conf. 11,15,19 f.). Nachdem
nun unter Absehung von diesem Problem das spezifische Sein der Zei-
ten für den Menschen denkbar geworden ist und wir uns angesichts
der Möglichkeit punktueller Wahrnehmung „in einem Augenblick“
auch mit der Gegenwart zufrieden geben können, wird der nächste
Gedankengang, zur Ausdehnung der Zeit, möglich, da für das Messen
jetzt nicht mehr die Aporie besteht, daß es etwas, was nicht ist (d. h.
dessen Sein noch nicht vorstellbar geworden ist), zu messen hat (vgl.
conf. 11, 15, 18 und 20). In diesem Zusammenhang wird der (vom
ersten Denkmodell her geforderten) ausdehnungslosen Gegenwart
beiläufig und ohne eigentliche Begründung ausgedehnte Gegenwart
(als Erfahrungstatsache) entgegengestellt.
So wie Augustin bei der Frage nach dem Wesen der Zeit das Sein
der Zeit als selbstverständlich vorausgesetzt hatte, so geht er nun von
der Erfahrungsgewißheit aus, daß wir Zeit messen. Und so, wie er den
ersten Gedankengang durch die Aporie zwischen sicher gewußtem
Sein der Zeit und dem Nicht-ist von Vergangenem und Zukunft zu sei-
ner Lösung geführt hatte, so hier durch die Aporie zwischen erfahrener
Messung und - trotz des erfolgten Nachweises des Seins der Zeiten in
der Seele - nichtseiender Zeit; die Erkenntnis, daß Zukunft und Ver-
gangenheit als Zeit des Menschen in seiner Seele sind, sollte befestigt
werden. Augustin konstatiert das Scheitern aller Versuche, das Messen
von zukünftiger Zeit (als nichtseiend), von vergangener Zeit (als nicht-
seiend), von gegenwärtiger Zeit (als ausdehnungslos), von vorüber-
gehender Zeit (als in ihren Enden unbestimmt) zu denken (conf. 11,
26, 33; 27, 34). Bei den „praetereuntia tempora“ liegt (nach dem Nach-
weis der Zeit in der Seele!) die ,objektive‘ Zeit vor, bei der auch Augu-
stin weder an Zukunft-Gegenwart-Vergangenheit noch an die Seele
dachte oder denken konnte: die B-Reihe (Früher-und-Später).
Nach dem Scheitern dieses Anlaufes verbindet Augustin das
Ergebnis des ersten Gedankenganges (Zeit in der Seele präsent) mit
der Erfahrung von zeitlicher Ausdehnung im Messen zu der Vorstel-
lung von „distentio animi“ (conf. 11, 26, 33), die nun das traditionelle
Definitionselement öiüoTppa bzw. öiaoraou;40 (aber nicht als das der
40 Vgl. dazu o. Anm. 36.
 
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