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Seebaß, Gottfried; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1985, 4. Abhandlung): Die Himmelsleiter des hl. Bonaventura von Lukas Cranach d. Ä.: zur Reformation e. Holzschnitts ; vorgetragen am 15. Dezember 1984 — Heidelberg: Winter, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.47818#0062
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Gottfried Seebass

Neufassung der Himmelsleiter. Denn ein Druckstock - zumal einer
dieser Qualität - stellt in jedem Fall für den Drucker eine Art zu
nutzenden Kapitals dar. Im Fall der Hölle brauchte man nur den rela-
tiv schmalen Druckstock mit umfangreichen Textbeigaben zu ver-
sehen, um ihn zu einem eigenen Einblattdruck zu machen. Und das
geschah. Dabei bestätigte die Überschrift „Die erbärmliche Klage der
Verdampten/ vom jmmer werende wehe der Hellen.“, daß zu dieser
Überschrift ein weiterer Text unter der Hölle gehörte (Abb. 20). Denn
das Bild zeigte allenfalls die Plagen und Qualen, ließ aber nicht die Kla-
gen laut werden. Das aber geschah in vier Absätzen unter der Höllen-
darstellung, in denen die Ausrufe der Verdammten gesammelt waren
„O Jamer vnd not, O Hell vnd Tod, o Elend on end, O sterben on ster-
ben“ etc. Daran anschließend wurden in zwei Kolumnen unter der
Überschrift „In der Hellen sind mancherley Pein und Plage“ diese auf-
geführt. Darauf folgte noch eine „Vermanung an alle Christen“. Leider
hat sich das Exemplar, das hier nach den Angaben in der Literatur
beschrieben wurde100, bisher nicht finden lassen, so daß wir nicht wis-
sen, ob möglicherweise in der „Vermanung“ doch noch auf die Him-
mels- und Christusleiter hingewiesen wurde. In einem solchen Fall
hätten sich die Blätter möglicherweise auf einem Doppelbogen neben-
einander ergänzen können. Sehr wahrscheinlich ist das freilich nicht.
Vielmehr dürfte es sich um eine Mahnung zur Buße unter Hinweis auf
die dem nahen Jüngsten Gericht und die ihm folgenden Höllenqualen
gehandelt haben, jener Typ Predigt also, der über ein Jahrhundert
später zu der Warnung veranlaßte, der ständige Hinweis auf das
Gericht könne auch zu der Überzeugung führen, als „würde dasjenige
gar nicht kommen/ was wir so lang ohne erfolg erwartet hätten“.101
Und vielleicht darf man fragen, ob sich nicht in der Trennung der bei-
den Holzschnitte und ihrer Verselbständigung auch das oft undialek-
tische Nebeneinander von Gerichts- und Evangeliumspredigt ankün-
digt, das sich seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht selten
im Protestantismus findet.

100 Vgl. Dodgson, Woodcuts 2, S. 307, Nr. 84 (ein offenbar defektes Exemplar, vgl. dazu
o. S. 32) und Boerner, Versteigerungskatalog: Die Kupferstichsammlung von
Liphart, S. 38, Nr. 391; vgl. o. Nr. 2.3.1.1.1.1. und 2.3.1.1.1.2., S. 27.
101 Zitiert nach Wallmann, Spener, S. 310.
 
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