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Riedl, Peter Anselm; Giovanni; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 2. Abhandlung): Eine wiederentdeckte "Verkündigung Mariä" von Giovanni di Paolo: vorgetragen am 4. Mai 1985 — Heidelberg: Winter, 1986

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https://doi.org/10.11588/diglit.48145#0012
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Peter Anselm Riedl

heiligen Jungfrau. Die Hände locker vor der Brust gekreuzt, schaut
Maria in Richtung des Engels. Über karminfarbigem Kleid trägt sie
einen grün gefutterten blauen Mantel, der in weichen Schwüngen
ihren schmalen Körper umspielt und ihr, außerdem von einem feinen
Schleier überfangenes, Haupt bedeckt. Gegenüber dem vergleichs-
weise kräftig gebauten Kopf des Engels wirkt jener der Maria ätherisch;
auffallend die sehr lange, gerade Nase, die mandelförmigen Augen
unter weiten Brauenbögen, der kleine Mund und das knappe Kinn.
Beide Figuren sind nimbiert. Die kreisrunden Gloriolen, über deren
Ornamentik noch ausführlich zu reden sein wird, sind in Gravier- und
Punziertechnik ausgeführt. Vorgeritzt sind im übrigen alle wesent-
lichen Umrisse und etliche Binnenlinien, desgleichen die Ornamente
des Engelswamses. Entlang dieser Ritzzeichnung ist an einigen Stellen
die über dem Saum des Goldgrundes ungenügend haftende Farbe aus-
gebrochen, am sichtbarsten beim Nasen- und Kinnkontur des Engels,
beim Kopf- und Rückenkontur der Maria und an einigen Stellen der
Hände.
Womit die Themen Maltechnik und Erhaltungszustand berührt
wären4. Obgleich die Glanzvergoldung auf rotem Bolus stark krakeliert
und partienweise abgerieben ist, das Ultramarin des Marienmantels
nur noch in Spuren vorhanden ist, das Engelswams eher poliment- als
goldfarben wirkt, die schillernde Buntheit der (ursprünglich über Ver-
silberung mehrfarbig behandelten) Flügel nur noch zu ahnen ist und
die Oberfläche insgesamt gelitten hat, gibt sich die einstige Feinheit
der Temperamalerei noch deutlich genug zu erkennen. Die Haare, das
Kleid, der Umhang und die Zehen, aber auch einige Gesichts- und
Handpartien des Engels lassen einen feinstrichelnden und sicher form-
definierenden Farbauftrag beobachten. Unter dem strichelnd auf-
gelegten Inkarnat der Maria wächst stark die Terraverde- bzw. Ver-
dacciountermalung durch. Schön erhalten sind die Augen und das
feine weiße Netz mit dem punktierten Saum des Schleiers. Von der
Präzision der Sachdarstellung geben der Ölzweig und die, wenn auch
perspektivisch verzeichnete, Sitzbank der Maria einen Begriff, wäh-
rend die Grasmarkierung und die Marmorierung zu Füßen der Figu-
ren Zeugnisse einer recht freien Pinselführung sind. Die Konservie-
rungsmängel vermögen evidentermaßen dem kompositionell-dekora-
tiven Reiz des Bildpaares wenig anzuhaben. Freilich macht dieser Reiz
keineswegs die entscheidende Bedeutung der Verkündigungstafeln
aus.

Vgl. dazu S. 35 ff.
 
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