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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0016
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Hildebrecht Hommel

Doch muß unsere Definition noch durch einige Beobachtungen
und Reflexionen ergänzt werden. Dem Laien fällt auf, daß die uns
geläufige Symmetrie sich ganz vorwiegend in der Horizontalen ab-
spielt, obwohl die vorhin angesprochenen Beispiele vom Mühlebrett
und den vier Kreisen genau so vertikal interpretiert werden können.
Dasselbe gilt vom vielerörterten Satorquadrat17, dessen im Zickzack zu
lesender Text von allen Seiten her gesehen, also auch von oben nach
unten und von unten nach oben, dasselbe ergibt: SATOR OPERA
TENET ‘Der Schöpfer erhält seine Werke’ (Abb. 4). Und das genau
aus dem Buchstabenbestand des Satorquadrats entwickelte Ana-
gramm, das PATERNOSTER-Kreuz mit doppeltem A und 0 (Abb.
5), entspricht eher einer zyklischen Symmetrie, als daß man es der Ver-
tikalen oder der Horizontalen zurechnen könnte17a.
Aber in der Kunst wird man an einem Grundriß oder im Neben-
einander vom rechten und linken Giebelfeld eines Hauses oder Tem-
pels die horizontale Symmetrie erkennen, während eine in zwei
gleiche Hälften geschiedene Vertikale weniger anspricht und daher
auch nur selten vorkommt oder überhaupt kaum als Symmetrie aner-
kannt wird. Man stelle sich etwa einen Turm oder ein Hochhaus vor,
das in der Mitte durch einen Fries oder eine sonstige Gliederung genau
in zwei gleiche Teile zerfällt - ein ganz absurder Gedanke. Wo schon
einmal eine proportionale Gliederung in der Vertikalen versucht und
geboten wird, da erfolgt sie etwa nach dem Schema des Goldenen
Schnitts, das heißt daß der kleinere Abschnitt im Vergleich zum größe-
ren im selben Verhältnis steht wie der größere Abschnitt zum Ganzen,

Order ... 1979, 1984 S. 69 m. Abb. 71). Detaillierte Angaben auch bei K. L. Wolf
und D. Kuhn, Gestalt und Symmetrie. Eine Symmetrie in der Botanik; dasselbe
bei W. Gilde, Gespiegelte Welt 1979, S. 17f, wo vor allem auch auf die Symmetrie
der Orchideenblüten hingewiesen wird, m. Abb.). Vgl. jetzt auch H. Götze aO.
(Anm. 9) a) 15 = b) 72.
I6a Zur Symmetrie in den exakten Wissenschaften, zumal in der Mathematik bietet
der Bd. I des Darmstädter Katalogs Symmetrie 1986 (Texte) eine Fülle detaillierter
Abhandlungen.
1 Dazu ausführlich H. Hommel, jetzt in: Η. H., Sebasmata I 1983, 84ff. Heinz
Hofmann, Artikel ‘Satorquadrat’ in der Real-Encyclopädie der class. Altertums-
wissensch. Suppl.-Bd. XV 1978, Sp. 477-565.
17a Mit dem Satorquadrat und dem Paternosterkreuz operiert auch Wolfgang Pro-
mies, Symmetrie in der Literatur. In: Symmetrie I 1986, S. 373-390, hier S. 374f.
freilich mit überholter Deutung des Satortextes. Zu den zahlreichen Versuchen,
das Satorquadrat in Musik umzusetzen, vgl. ebenda S. 399 Johannes Fritsch,
Musik und Symmetrie (S. 391-403), hier speziell zu Anton Webern.
 
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