Metadaten

Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0035
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Symmetrie im Spiegel der Antike

33

Quadratmeter Größe sind so geschickt nach Süden ausgerichtet, daß
im Norden ein zweistöckiger Wohntrakt gut besonnt und belichtet
wird, während sich an einer Langseite neben einem Hof Wirtschafts-
räume hinziehen“. So entstehen nach dem Prinzip der Isonomie, dem
auch die Struktur der attischen Demokratie gehorcht, als Wohnstätten
gleichberechtigter Bürger gleichförmige Blöcke, heute nach römi-
schem Vorbild als Insulae bezeichnet. Das Beispiel machte Schule und
wurde vielfach auch andernorts angewandt oder nachgeahmt, so in
Thurioi, Rhodos, Olynth, Abdera und späterhin auch im kleinasiati-
schen Priene wie im römischen Bereich. „Eine Kunst der Variation“
sorgte dafür, daß „die Proportionen der kleineren und größeren Recht-
ecke von Ort zu Ort wechselten, wenn auch stets das Urbild des Piräus
deutlich bleibt“.
Daß sich vor allem auch im Einzelwerk das symmetrische Beispiel
griechischer Tempel und Häuser bis in römische Zeit erhalten hat, ist
uns allen geläufig543.
Auf eine raffinierte Besonderheit antiker Symmetriegestaltung ist
noch aufmerksam zu machen. In der klassischen griechischen Kunst
haben sich für eine freilich ganz freie Symmetrie zwei Haupttypen her-
ausgebildet, die man als „Hebung der Mitte“ und als „Senkung der
Mitte“ bezeichnet hat (v. Salis 191 ff.). Im ersten Fall wird, so in den
Figurengruppen der Tempelgiebel des Zeustempels von Olympia oder
des Parthenon in Athen und hier überall natürlich durch die Giebel-
form begünstigt, die Mittelachse einer symmetrischen Anordnung
stark herausgehoben (Abb. 10). Dabei wird manchmal streng symme-
trisch vorgegangen, wie auf den Deckeln lykischer Sarkophage aus
Sidon (Abb. 16); dann dasselbe wieder freier auf dem Mänaden-Stam-
nos in Neapel mit dem Dionysos-Idol in der Mitte (Abb. 17), wo die
Symmetrie dann doch noch durch die beiden Gefäße rechts und links
stärker betont ist. Und schließlich in völlig gelöster Form, die gleich-
wohl die symmetrische Anordnung noch verrät, in der berühmten
Laokoon-Gruppe aus dem 1. nachchristl. Jahrhundert. Hier ist die
Symmetrie in freie sich entsprechende Formen aufgelöst, aber noch
unaufdringlich vorhanden, so daß sich antiker und moderner Symme-
triebegriff in einem Kunstwerk wie diesem aufs schönste verbinden.
54a Über die römische Baukunst unter dem Aspekt der ‘Symmetrie’, vorwiegend
anhand der Beispiele der Ara pacis Augusti und des Pantheons, handelt H. Knell
in: Symmetrie 1 1986, S. 171 ff. mit den Abb. 21-30, wo zuvor auch die Bedeutung
des Hippodamos von Milet kurz gestreift wird.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften