Metadaten

Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0048
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
46

Hildebrecht Hommel

deutung. Dagegen läßt sich die von Plutarch überlieferte Form palin-
tonos harmonie^, die ich für die authentische halten möchte, am
besten wiedergeben durch ‘widerspenstige Harmonie’, wobei wir ver-
sucht sind, an ein ‘Bedeutungslehnwort’ zu denken, da der Bestandteil
‘wider-’ dem griechischen palin- entspricht, während das ‘-spenstige’
an die ‘Spannung’ erinnert, die durch das griechische tönos aus-
gedrückt ist. Allerdings dürfte das nicht viel mehr als ein hilfreicher
Zufallsanklang sein, da unser Wort ‘widerspenstig’ seiner Herkunft
nach nichts unmittelbar mit ‘Spannung’ zu tun hat, nur auf Umwegen
damit verwandt sein mag66 67. Doch damit genug der philologischen
Abschweifung.
In unserem Zusammenhang wird die Frage mehr interessieren, ob
die gegenstrebige Harmonie im Sinn Heraklits nicht auch in der bil-
denden Kunst ihre Entsprechung hat. Das scheint mir bei dem uralten
Ornamentsymbol der Suastika, des Hakenkreuzes, der Fall zu sein68,
da dieses symmetrische Gebilde - als Andeutung einer Kreisbewe-
gung gefaßt -, je nachdem, wo man beginnt, nach der einen oder ent-
gegengesetzten Richtung tendiert. Freilich paßt dann dazu wieder bes-
ser die Lesart palintropos harmonie (‘gegenwendige Harmonie’) als das
von uns für ursprünglich gehaltene palintonos harmonie, die ‘in Span-
nung befindliche Harmonie’.
Um nun aber allmählich zum Schluß zu kommen, möchte ich noch
auf einige Kuriosa symmetrischer Anordnung das Augenmerk lenken,
bei denen sich die sonst so stark von den Griechen abhängigen Römer
in eigener Weise Geltung verschaffen.
Wir kennen bereits vom Satorquadrat her das lateinische Palin-
drom als Muster symmetrischer Buchstabenanordnung, wofür eben

66 Siehe den kritischen Apparat zum Fr. 51 des Heraklit (Fragmente der Vorsokrati-
ker 1162). Die also wohl richtige Leseart palintonos hat dagegen Pate gestanden bei
der Bezeichnung eines antiken Instruments, das der anderen von Heraklit neben
der Leier bemühten Metapher vom Bogen entspricht (hosper toxü). ‘Palintonon’
heißt nämlich das Steinwurfgeschütz, dessen Mechanik wie beim Bogen, nur in
komplizierterer Weise, auf der Spannung von Sehnen beruht. Die beste, auch dem
Laien verständliche Beschreibung bietet nach antiken Quellen A. R. Neumann im
Kleinen Pauly II 1967, Sp. 781 ff.; eine Abbildung der Rekonstruktion eines Palin-
tonon nach Vitruv, De architectura X bei E. Pernice im Handbuch der Archäo-
logie I 1939, S. 262, Abb. 12 (I2 1969, S. 423).
67 Siehe Lutz Mackensen, Reclams Etymologisches Wörterbuch der deutschen
Sprache 1966, 402.
68 Über die Swastika als Symmetriegebilde handelt kurz auch E. H. Gombrich, The
sense of Order ... 1979, S. 138.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften