Metadaten

Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1986, 5. Abhandlung): Symmetrie im Spiegel der Antike: vorgetragen am 7. Juni 1986 — Heidelberg: Winter, 1987

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48148#0050
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
48

Hildebrecht Hommel

Hexametern bestehend, die sämtliche, von vor- und rückwärts gelesen,
in sich identisch sind, also eine restlos verwirklichte Symmetrie reprä-
sentieren71, die freilich in ihrer sturen Regelmäßigkeit auch wieder
ermüdend wirkt, so daß wir eigentlich bei den Palindromen von nicht
mehr als von einer kurzfristig amüsanten Spielerei reden dürfen.
In die echte römische Antike zurück führt uns eine ganz andre
Spur. Dabei fällt zunächst auf, daß ein freilich aus Hellas übernomme-
nes Götterpaar, die Zwillinge Castor und Pollux, besonders auf Silber-
denaren der römischen Republikzeit (Abb. 20) ein symmetrisches


20 Castor und Pollux, Silberdenar der Röm. Republik.
Nach: R. Thomsen, Early Roman Coinage I 1957, S. 95 (Text auf S. 93)

71 Proben daraus und zahlreiche andere Beispiele bei Hans Weis, Curiosa 1939, 42f.;
derselbe, Bella Bulla. Lateinische Sprachspielereien 51964, 52 ff. H. Polge in:
Revue Internationale d’Onomastique 23. 1971, S. 59. W. Gilde, Gespiegelte Welt
1979, S. 64, der seinerseits an dem Sinn solcher „Spielereien“ zweifelt. Eine völlig
lupenreine Symmetrie - freilich viel ernsterer Art - findet sich in den sogenannten
‘Krebsen’ und ‘Spiegelkanons’ in der Musik vor allem des 18. Jhs. (Höhepunkt bei
J. S. Bach). Ein Beispiel von Jos. Haydn ist näher beschrieben bei W. Gilde, aO.
S. 67f. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, eine Äußerung des bekannten
modernen Komponisten Mauricio Kagel über Joh. Seb. Bach zu notieren: „Man
entdeckt im Notenbild überall offene Symmetrien, die auch andere, unsichtbare,
vermuten lassen. Und wie immer, wo Symmetrien stark betont werden, blüht das
Diktat der Asymmetrie auf. Es besteht kein Zweifel, daß Bach mit beiden Mitteln
sehr bewußt operierte ... Er war Dürer verwandt“. (Frankf. Allgem. Ztg. 6. 4.1985 -
mir freundlich mitgeteilt von meiner Tochter Birgit Hommel). Zu der Rolle,
welche die Symmetrie in Bachs ‘Kunst der Fuge’ spielt, verweist mich meine Frau
Lotte H. auf die erhellenden Ausführungen von Wolfg. Graeser im Bach-Jahr-
buch 21. 1924, S. 13 ff. Auch auf unverkennbare Spuren symmetrischen Aufbaus
in Bruckners Werk hat man hingewiesen: O. Loerke, Anton Bruckner. Ein Cha-
rakterbild 1938 (jetzt: Bibi. Suhrkamp 39. 1976), S. 72-75 - frdlr. Hinweis von
Marli Hommel-Ulrich. Schließlich erinnert F. Messmer im Rheinischen Merkur
vom 7. Dez. 1985 daran, daß in der ‘Salome’ von Richard Strauss „das einzige
Ensemble, das Juden-Quintett“, genau „in der Mitte des Werks erklingt“ und ihm
dadurch einen symmetrischen Aufbau sichert.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften