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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0013
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Das Senatusconsultum Silanianum

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Ermordung ihres Dominus sub eodem tecto, ‘unter demselben Dach’
waren, sofern sie ihrem Dominus keine Hilfe geleistet hatten.* * * * * 13
Zunächst ist deutlich, daß dieses Gesetz nicht die Bestrafung des
Täters regelt oder seiner Gehilfen, zu denen auch die Mitwisser14
gerechnet wurden. Das Silanianum bestraft vielmehr die ‘unterlassene
Hilfeleistung’.15 Das Ungewöhnliche ist, daß dem Sklaven, der ‘unter
demselben Dach’ war, nicht nachgewiesen werden muß, daß er hätte
Hilfe leisten können und gleichwohl keine Hilfe geleistet hat. Der
Sklave entgeht der Bestrafung nur, wenn die Untersuchung ergibt, daß
er seinem ermordeten Herrn alle nur erdenkliche Hilfe geleistet hat.15a
Mit der Verteidigung etwa, daß er nichts gesehen und gehört habe,

(Forts. Fußnote 12)
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit steuern sollte - wie etwa schon das SC de
Bacchanalibus von 186 v. Chr. Da das Silanianum nur Sklaven betraf, konnte es
auch ohne weiteres die Folter (siehe u. nach A. 16) und die Todesstrafe vorsehen.
Zu all dem Mommsen, Röm. Staatsrecht 3. 345 f., 1066f., 1208f.
13 Mommsen, Röm. Strafrecht (1899) 630f.; E. Volterra, NNDI 16 (1969) 1064f.;
M. Kaser, Das röm. Privatrecht I (1971) 283 A. 3, 285 A. 25, 726 A. 38; Dalla 1 ff.
m. weit. Lit. - Das prätorische Edikt verbot (vermutlich nach Maßgabe des Silani-
anum: Venuleius D 29.5.13), das Testament des Ermordeten zu eröffnen oder die
Erbschaft anzutreten oder die bonorum possessio zu beantragen, bevor das Verfah-
ren mit dem peinlichen Verhör der Sklaven stattgefunden hatte: Ulpian D
29.5.3.18,29; PS 3.5.1; einschränkend Papinian D 29.5.21 pr.; Lenel, Das Edictum
perpetuum3 (1927) 364 f. Die Ediktskommentare erläuterten in diesem Zusammen-
hang auch das Silanianum selbst. In den Kommentarfragmenten Ulpians (D 29.5.1
und 3) werden folgende Lemmata behandelt: ‘dominus’ (1.1-3, 6-16), ‘servus’
(1.3-5) ‘occisus’ (1.17-24), ‘quaestio’ (1.25), ‘qui sub eodem tecto fuerunt’
(1.26,27,30,31), ‘opem ferre’ (1.28,29,34-38; 3 pr., 1-11). Außerdem ist ersichtlich,
daß die Sanktionsklausel etwa lautete: ‘de servis (sc. qui sub eodem tecto fuerunt)
quaestionem habendam et supplicium sumendum’ (1.12-15, 21,24,30; 3.16-18).
Im Jahre 57 n. Chr. erstreckte der Senat die Todesstrafe auch auf die Sklaven, die
der Ermordete in seinem Testament freigelassen hatte: Ulpian D 29.5.3.16; PS
3.5.6; einschränkend (entsprechend Papinian D 29.5.21 pr.) Tac. ann. 13.32.1: si
quis a suis servis interfectus esset. Der Tortur waren sie schon vorher unterworfen. -
Ein anderer Senatsbeschluß aus neronischer Zeit erstreckte die peinliche Untersu-
chung auf die familia des Ehegatten des Ermordeten: PS 3.5.5; Ulpian D 29.5.1.15.
- Und von Trajan sind der quaestio schließlich auch noch die liberti unterworfen
worden, die der Ermordete zu seinen Lebzeiten freigelassen hatte: Paulus D
29.5.10.1 (dazu nach A. 198).
14 Vgl. etwa Ulpian D 29.5.1.21,26,30.
15 Nach den Kategorien der modernen Strafrechtsdogmatik war die Straftat ein ‘echtes
Unterlassungsdelikt’.
15a Auch unter Gefährdung des eigenen Lebens: Hadrian bei Ulpian D 29.5.1.28;
außerdem D 29.5.1.18,19,34-37 u.a.
 
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