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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0014
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Joseph Georg Wolf

richtet er nichts aus. Das senatus consultum Silanianum begründete
also eine vom Verschulden unabhängige Erfolgshaftung: war man sub
eodem tecto, mußte man Hilfe leisten; tat man es nicht, aus welchem
Grunde auch immer, verfiel die Sanktion.16 Die Sanktion war eine
doppelte17: zuerst die quaestio, das peinliche Verhör18, vor dem auch
ein Geständnis nicht bewahrte19, dann die Todesstrafe.20
Der Tatbestand des Silanianum setzte nicht voraus, daß der Domi-
nus21 von einem eigenen Sklaven oder überhaupt von einem Sklaven
getötet worden war.22 Wenn aber jemand um sein Leben fürchten
mußte, dann waren es die Sklavenbesitzer.23 Freilich nicht der Hand-
werker oder Kaufmann, der zwei oder fünf oder zehn Sklaven besaß;
das Sprichwort 'quot servi, tot hostes': ‘So viele Sklaven, so viele
Feinde’24, war kaum auf ihn gemünzt. Wer sich in acht nehmen mußte,
war die dünne Schicht der Leute, für die andere Gesetze derselben Zeit
etwa bestimmten, daß sie in die Verbannung nur 20 Sklaven mitneh-
men25 und in ihrem Testament nur 100 freilassen dürften.26 Diese

16 Erst Hadrian hat durch eine einschneidende restriktive Interpretation der Klausel
sub eodem tecto das Silanianum auf eine normale schuldorientierte Strafnorm
zurückgeschnitten; er verfügte, non de omnibus servis quaestionem haberi, daß nicht
allen Sklaven der peinliche Prozeß (Ulpian D 29.5.1 pr., 25) gemacht werden soll,
sondern nur den Sklaven, die in der Nähe waren und die Tat wahmehmen konnten:
H. A. Hadrian 18.11: si dominus in domo interemptus esset, non de omnibus servis
quaestionem haberi sed de iis qui per vicinitatem poterant sentire praecepit. Diese
Verfügung wird von den Juristen nicht überliefert, wohl aber befolgt: Ulpian D
29.5.1.27; vgl. Dalla 67f.
17 De servis quaestionem habendam et supplicium sumendum: Ulpian D 29.5.1.12-15
u.ö.
18 Das peinliche Verhör war das Hauptstück der quaestio im weiteren Sinne: des
Verfahrens vor dem Magistrat; vgl. Ulpian D 29.5.1.25.
19 Paulus D 29.5.6 pr.; Modestin D 29.5.17.
20 Sklaven erlitten sie durch Kreuzigung: Mommsen, Röm. Strafrecht 918f.
21 Die Juristen offenbar haben den Tatbestand auf den filius familias und die ceteri
liberi, qui in potestate sunt erstreckt: Ulpian D 29.5.1.7.
22 Siehe etwa Ulpian D 29.5.1.22, 3.2; auch Papinian D 29.5.21 pr. und Tac. ann.
13.32.1.
23 Vgl. Hopkins (A. 11) 118f., unrichtig allerdings zum Silanianum 120 A. 46.
24 Fest. 261 M.; Sen. epist. 47.5; Macr. Sat. 1.11.13.
25 Cass. Dio 56.27.3 (12 n. Chr.).
26 Eine lex Fufia Caninia vom Jahre 2 v. Chr. (Gai. 1.42 f.) schränkte die testamentari-
schen Freilassungen für jeden ein, der mehr als zwei Sklaven besaß; 100 durfte nur
freilassen, wer 500 oder mehr besaß. Plinius d. J. hat offenbar diese Möglichkeit
ausgeschöpft: Dessau, ILS I 2927.
 
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