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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0023
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Das Senatusconsultum Silanianum

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Wenn diese Diagnose zutrifft, dann ist es nicht Cassius selbst, der
hier spricht, dann hat Tacitus die Rede jedenfalls nicht wörtlich über-
nommen, sondern selbst geschrieben, und läßt den Vertreter der alten
Senatsaristokratie so auftreten, wie es seinen, Tacitus’, Vorstellungen
entspricht.63
(b) Cassius nimmt für das Silanianum in Anspruch, mos maiorum zu
sein. Er tut es nicht ausdrücklich, aber eindeutig und selbstverständ-
lich; es ist das erste, was er überhaupt sagt: daß wieder einmal contra

63 Von Cato Uticensis (siehe u. A. 76) berichtet Cass. Dio 37.21.4 und 22.4, daß er den
für Pompeius beantragten extravaganten Auszeichnungen widersprach, ‘weil sie mit
dem Herkommen nicht im Einklang standen’. Pomponius hatte 66 v. Chr. Mithrada-
tes besiegt. Seither war Armenien bald Rom, bald den Parthern hörig. Im Jahre 58
n. Chr. wurde es von Domitius Corbulo wieder erobert (Tac. ann. 13.34.2-41.3).
Diesmal überschüttete der Senat Nero mit allen möglichen Ehrungen. Und jetzt war
es Cassius, der einem exzessiven Antrag widersprach: dem Antrag, zur Erinnerung
an den Sieg drei ständige Festtage einzurichten: .. . adeo modum egressa, ut C.
Cassius de ceteris honoribus adsensus, si pro benignitate fortunae dis grates agerentur,
ne totum quidem annum supplicationibus sufficere disseruerit, eoque oportere dividi
sacros et negotiosos dies, quis divina colerent et humana non impedirent (13.41.4).
Die ironisch-vertrackte (vgl. Nörr [1984] 2970) Argumentation läuft darauf hinaus,
daß die Zahl der Arbeitstage nicht weiter beschnitten werden könne, ohne die res
humanae, das profane öffentliche Leben, zu behindern (plausibel Crook [A. 4] 365;
außerdem vgl. G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer [2. Aufl. 1912] 441;
zum Folgenden 445 ff.). Seit Caesar war es üblich geworden, Gedenktage wichtiger
Ereignisse als ständige Staatsfeste, feriae publicae, einzurichten. Claudius hob im
Jahre 43 eine Reihe dieser Gedenktage neuer Art auf, weil es inzwischen zum
allgemeinen Schaden mehr Fest- als Werktage gab (Cass. Dio 60.17.1). Aber am
Ende der Regierungszeit Neros war ihre Zahl offenbar wieder so groß, daß Vespa-
sian mit wenigen Ausnahmen alle Feste dieser Gattung kassierte. Cassius’ (erfolglo-
ser) Widerspruch ist in diesem Kontext zu sehen - auch wenn er damit, wie einst
Cato, für den mos vetus eintrat und „Auswüchse der Devotion“ bekämpfte (Nörr
[1984] 2970). - Cassius’ Widerspruch gegen die Einführung neuer feriae publicae im
Jahre 58 hat wenig zu tun (anders Crook 365) mit einem Edikt, das er 30 Jahre
früher, als Prätor, über die Versäumung von Fristen wegen feriae extra ordinem
indictae erlassen hat: er verhieß ‘Wiedereinsetzung in den vorigen Stand’, wenn
wegen feriae imperativae die Jurisdiktion ruhte (Wissowa 440 f.) und darum eine
Frist versäumt wurde: Ulpian D 4.6.26.7. Auf außerordentliche Festtage, die ad hoc
angesetzt wurden, konnte sich der Bürger nicht einrichten. Das Edikt war darum
eine justizpolitisch sinnvolle Maßnahme, für die es auch keinen besonderen Anlaß
gegeben haben muß; von einer Häufung außerordentlicher Festtage in diesen Jah-
ren ist nichts bekannt; vgl. Nörr (1984) 2962. Für die ‘Ideologie’ des Cassius geben
Widerspruch und Edikt nichts her; sie sind mit seiner konservativen Gesinnung
vereinbar, für eine konservative Gesinnung aber nicht signifikant. Anders sieht die
Dinge wieder D’Ippolito 31 ff.
 
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