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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0025
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Das Senatusconsultum Silanianum

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(c) Zurück zur Rede. Der Hinweis des Redners auf seine bisher geübte
Zurückhaltung bei Angriffen auf den mos maiorum hat mehrfache
Funktion: er unterstreicht die Bedeutung der Sache, die jetzt zur Ent-
scheidung steht, und dient dem Redner außerdem dazu, seine Beschei-
denheit und sein Verantwortungsbewußtsein hervorzuheben.70 Seine
bisher geübte Zurückhaltung war Bescheidenheit: denn durch jedes
Eintreten für den mos antiquus hätte er sich immer auch seines Rechts-
studiums gerühmt.71 Cassius führt dem Zuhörer seine Bescheidenheit
vor Augen und erinnert ihn zugleich, mit der Erwähnung des Rechts-
studiums, an das außerordentliche Ansehen, das er als Jurist genießt.72
Cassius’ bisher geübte Zurückhaltung war aber auch Verantwortungs-
bewußtsein gegenüber dem Staat: denn ständiger Widerspruch hätte
seine auctoritas abgenutzt. Wer mit seiner auctoritas verantwortungs-
voll umgeht, muß auctoritas haben.73 Mit der Demonstration seines
Verantwortungsbewußtseins nimmt Cassius darum zugleich auctoritas
in Anspruch.74

70 Das eine erfüllt die Anweisung des attentum, das andere die des benevolum parare,
siehe o. A. 59. Bescheidenheit verdient Sympathie, und wer nur aus Pflichtgefühl
gegenüber dem Staat das Wort ergreift, ist nicht anmaßend (Quint, inst. 4.1.7,33);
vgl. Fuhrmann 84; zu unserer Rede Nörr (1983) 202.
71 Neque sum adversatus ... ne nimio amore antiqui moris studium meum extollere
viderer. Offenbar nach Sallust, lug. 4.2, der von seiner Geschichtsschreibung sagt:
praetereundum puto, simul ne per insolentiam quis existumet memet studium
meum laudando extollere. Entsprechend ist in der Cassius-Rede studium meum
das Rechtsstudium des Redners: Koestermann zu 14.43.1; D’Ippolito 62 A. 7;
Nörr (1983) 204. - Neque sum adversatus ist übrigens nicht wörtlich zu nehmen: Im
Jahre 58, als der Senat Nero mit Ehrungen überschüttete, hat sich Cassius nicht
zurückgehalten; siehe o. A. 60.
72 Wo Tacitus ihn das erste Mal erwähnt, zum Jahre 49 n. Chr., führt er ihn in
getragener Rede ein als den bedeutendsten Juristen seiner Zeit: ea tempestate Cas-
sius ceteros praeminebatperita legum (ann. 12.12.1); vgl. Koestermann zu 12.12.1;
Syme I 354. Zu ann. 12.12.1 siehe o. A. 31.
73 Die Form, in der dieser Anspruch erhoben wird, ist wieder Ausdruck der Beschei-
denheit: quidquid hoc in nobis auctoritatis est; vgl. Koestermann zu 14.43.2; Nörr
(1983) 202.
74 Die Hervorkehrung der eigenen auctoritas ist keine Anforderung des exordium. Für
das genus deliberativum, also die Beratungsrede, betont indessen Quintilian (inst.
3.8.12) das Gewicht der auctoritas des Redners: valet autem in consiliis auctoritas
plurimum; s. auch inst. 3.8.36 und 48. - Pomponius (D 1.2.2) vermerkt bei einer
Reihe von Juristen, daß sie praecipuae oder maximae auctoritatis waren (§§ 42, 47)
oder plurimum auctoritatis hatten (§44), und bei Proculus, daß seine auctoritas
maior fuit als die anderer Juristen (§52); aber nur bei Cassius, daß er plurimum in
civitate auctoritas hatte (§51). Seine auctoritas beruhte vermutlich nicht nur auf
 
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