28
Joseph Georg Wolf
Feld geführt worden sein.91 Cassius macht mit ihm kurzen Prozeß. Die
refutatio der Gegenargumente, die hier in die argumentatio eingescho-
ben wird92, ist der eigentliche Sitz der rhetorischen Ironie.93 Cassius
übertreibt sie zum Hohn.
Seine Argumentation ist für uns aber nur verständlich, weil die Tat-
motive im Kontext der Rede geschildert werden. Das Verfahren vor
dem Magistrat94 hat offenbar keine völlige Klarheit gebracht. Denn
Tacitus berichtet, der Sklave habe seinen Herrn getötet: entweder weil
dieser ihm die Freilassung verweigerte, obwohl der Preis schon abge-
sprochen war; oder weil ihm der Dominus den Lustknaben fortgenom-
men hat.95
Vereinbarungen zwischen Herrn und Sklaven über die Freilassung
waren seit langem üblich.96 Sie waren natürlich ohne rechtliche Ver-
bindlichkeit, ihr Bruch wurde aber sozial mißbilligt.97 In einem solchen
pactum versprach der Herr die Freilassung, der Sklave eine Gegenlei-
stung, gewöhnlich die Zahlung einer Geldsumme.98 Der Sklave hatte
natürlich auch kein eigenes Vermögen; was er erwarb, gehörte ipso
iure seinem Herrn.99 Ungeachtet dieser Rechtslage wurde dem Sklaven
91 ... ut quidam fingere non erubescunt. . .
92 Vgl. o. nach A. 53.
93 Lausberg §902. 4 S. 449. Vgl. auch Quint, inst. 5.13.2: despiciat, derideat. Über
die Ironie: Quint, inst. 8.6.54ff. und 9.2.44ff.
94 Siehe o. bei A. 41.
95 14.42.1: ... servus ipsius interfecit, seu negata libertate, cui pretium pepigerat, sive
amore exoleti incensus et dominum aemulum non tolerans.
96 Vgl. Plaut. Rud. 927ff.
97 Darum war er eine Herausforderung und wird hier für die Begnadigung ins Feld
geführt; vgl. Hopkins (A. 11) 126; Behrends (A. 6) 58f.; Nörr (1983) 187f.
98 Siehe etwa Alfenus Varus D 40.1.6: Servus pecuniam ob libertatem pactus erat et eam
domino dederat: dominus prius quam eum manumitteret, mortuus erat testamentoque
liberum esse iusserat et ei peculium suum legaverat. Weil die Freilassung nicht in
Ausführung der Vereinbarung als Gegenleistung für die Geldzahlung erfolgt war,
sondern ‘unentgeltlich’ durch letztwillige Verfügung, wurde Alfenus gefragt, ob die
Erben dem Freigelassenen den ‘Kaufpreis’ zurückzahlen müßten, den er für seine
Freilassung gezahlt hatte. Nach seiner Meinung kam es darauf an, wie der Dominus
den ‘Kaufpreis’ verbucht hatte: Wenn er ihn (zunächst noch) dem pecu/zum-Konto
gutgeschrieben hatte, wurde seine Rückzahlung geschuldet. - lavolenus 11 ex
Cassio D 45.1.104: Cum servus pecuniam pro libertate pactus est et ob eam rem reum
dedit: quamvis servus ab alio manumissus est, reus tamen recte obligabitur, quia non
quaeritur, a quo manumittatur, sed ut manumittatur. Zu dieser Stelle Manthe
(A. 37) 135 f.
99 Kaser (A. 13) 286.
Joseph Georg Wolf
Feld geführt worden sein.91 Cassius macht mit ihm kurzen Prozeß. Die
refutatio der Gegenargumente, die hier in die argumentatio eingescho-
ben wird92, ist der eigentliche Sitz der rhetorischen Ironie.93 Cassius
übertreibt sie zum Hohn.
Seine Argumentation ist für uns aber nur verständlich, weil die Tat-
motive im Kontext der Rede geschildert werden. Das Verfahren vor
dem Magistrat94 hat offenbar keine völlige Klarheit gebracht. Denn
Tacitus berichtet, der Sklave habe seinen Herrn getötet: entweder weil
dieser ihm die Freilassung verweigerte, obwohl der Preis schon abge-
sprochen war; oder weil ihm der Dominus den Lustknaben fortgenom-
men hat.95
Vereinbarungen zwischen Herrn und Sklaven über die Freilassung
waren seit langem üblich.96 Sie waren natürlich ohne rechtliche Ver-
bindlichkeit, ihr Bruch wurde aber sozial mißbilligt.97 In einem solchen
pactum versprach der Herr die Freilassung, der Sklave eine Gegenlei-
stung, gewöhnlich die Zahlung einer Geldsumme.98 Der Sklave hatte
natürlich auch kein eigenes Vermögen; was er erwarb, gehörte ipso
iure seinem Herrn.99 Ungeachtet dieser Rechtslage wurde dem Sklaven
91 ... ut quidam fingere non erubescunt. . .
92 Vgl. o. nach A. 53.
93 Lausberg §902. 4 S. 449. Vgl. auch Quint, inst. 5.13.2: despiciat, derideat. Über
die Ironie: Quint, inst. 8.6.54ff. und 9.2.44ff.
94 Siehe o. bei A. 41.
95 14.42.1: ... servus ipsius interfecit, seu negata libertate, cui pretium pepigerat, sive
amore exoleti incensus et dominum aemulum non tolerans.
96 Vgl. Plaut. Rud. 927ff.
97 Darum war er eine Herausforderung und wird hier für die Begnadigung ins Feld
geführt; vgl. Hopkins (A. 11) 126; Behrends (A. 6) 58f.; Nörr (1983) 187f.
98 Siehe etwa Alfenus Varus D 40.1.6: Servus pecuniam ob libertatem pactus erat et eam
domino dederat: dominus prius quam eum manumitteret, mortuus erat testamentoque
liberum esse iusserat et ei peculium suum legaverat. Weil die Freilassung nicht in
Ausführung der Vereinbarung als Gegenleistung für die Geldzahlung erfolgt war,
sondern ‘unentgeltlich’ durch letztwillige Verfügung, wurde Alfenus gefragt, ob die
Erben dem Freigelassenen den ‘Kaufpreis’ zurückzahlen müßten, den er für seine
Freilassung gezahlt hatte. Nach seiner Meinung kam es darauf an, wie der Dominus
den ‘Kaufpreis’ verbucht hatte: Wenn er ihn (zunächst noch) dem pecu/zum-Konto
gutgeschrieben hatte, wurde seine Rückzahlung geschuldet. - lavolenus 11 ex
Cassio D 45.1.104: Cum servus pecuniam pro libertate pactus est et ob eam rem reum
dedit: quamvis servus ab alio manumissus est, reus tamen recte obligabitur, quia non
quaeritur, a quo manumittatur, sed ut manumittatur. Zu dieser Stelle Manthe
(A. 37) 135 f.
99 Kaser (A. 13) 286.