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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0044
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Joseph Georg Wolf

der Verhandlungen des Senats163, oder ein redigierter, bald ausführli-
cher, bald zusammenfassender Bericht, oder teils das eine, teils das
andere.164 Und außerdem ist für den antiken Historiker die wörtliche
Rede nicht Zitat, nicht die Form authentischer Wiedergabe, sondern
ein Darstellungsmittel.165

163 So Kubitschek, RE 1 (1893) 290; A. Stein, Die Protokolle des röm. Senates und
ihre Bedeutung als Geschichtsquelle für Tacitus (Prag 1904) 10ff.; Moore, RE 6
Suppl. (1935) 771.
164 Siehe Talbert 308ff., insb. 313ff. - Als Fronto, im Jahre 143 n. Chr., die inzwi-
schen übliche Dankrede der Konsuln an den Kaiser nicht bei der Übernahme des
Amts verlas, erklärte er gegenüber Marc Aurel die Verzögerung mit dem Wunsch,
den Kaiser mit einer besonderen, lente otiose dementer vorbereiteten Rede zu
ehren: Hunc nisi ita laudo, ut laudatio mea non in actis senatus abstrusa lateat, sed in
manibus hominum oculisque versetur (ad M. Caes. 2.1.1 — Naber p. 26). Offenbar
wurden diese Dankreden den acta senatus einverleibt; vgl. Mommsen, Ges. Sehr.
VII 254. Dasselbe ist von den Senatsbeschlüssen zu vermuten, die seit alters förm-
lich redigiert, hinterlegt und in Jahrbüchern (die also von den acta senatus zu unter-
scheiden sind) zusammengefaßt wurden; vgl. Moore, RE 6 Suppl. (1935) 801 ff.,
771. Cic. Att. 13.33.3 verweist Atticus auf das Jahrbuch von 146 v. Chr.: reperiet ex
eo libro in quo sunt senatus consulta Cn. Cornelio L. Mummio coss. Nach CIL VIII
23246 (= Bruns, Fontes7 Nr. 61) enthielt das Jahrbuch von 138 n. Chr. nicht nur die
Senatsbeschlüsse, sondern alle Anträge: SC ... descriptum et recognitum ex libro
sententiarum in senatu dictarum Kari luni Nigri, C. Pomponi Camerini cos. Es ist
bemerkenswert, daß Sueton (o. A. 162) den Senatsbeschlulß nicht nach dem Jahr-
buch, sondern nach den acta senatus zitiert; sie berichteten offenbar auch über den
Anlaß. Tacitus dagegen (o. A. 162) könnte für sein Zitat (noch) keine Wahl gehabt
haben.
165 Vgl. nur Senecas an Nero gerichtete Rede und dessen Erwiderung: Tac. ann.
14.53.2 - 56.2. - Plinius Secundus hat für seine libri de Helvidi ultione, der Darstel-
lung einer Senatsdebatte im Jahre 97 n. Chr. (in der er Publicius Certus wegen
dessen Kriecherei gegenüber Domitian bei der Aburteilung des jungen Helvidius
angriff), nach der Sitzung seinen eigenen Beitrag, ‘so gut er konnte’, ‘zusammenge-
lesen’, also aus dem Gedächtnis aufgezeichnet, und ‘vieles hinzugefügt’ (epist.
9.13.24); die Beiträge der anderen Redner hat er in seiner Schrift ipsorum verbis
wiedergegeben (9.13.14) - aber sicher auch nur ‘so gut er konnte’. Ebenso verstand
sich, daß er seinen Panegyrikus auf Trajan, den er als Konsul, im September 100, im
Senat verlesen hat, für die Publikation änderte und ergänzte (3.13.1 ff., 5; 3.18.1;
siehe auch 2.5.3 und 4.5.4). Tacitus wollte Senecas letzte Gedanken, die der Philo-
soph sterbend diktiert hat und die in seinen eigenen Worten zugänglich waren, nicht
mit anderen Worten wiedergeben: quae in vulgus edita eius verbis invertere superse-
deo (ann. 15.63.3) - ein wortgetreues Zitat kam nicht in Betracht. Ausnahme: ann.
15.67.2f. Vgl. N. P. Miller, Rhein. Mus. 99 (1956) 305; siehe auch u. A. 175 a. E.
 
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