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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0049
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Das Senatusconsultum Silanianum

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der Sklaven gestimmt hat. Daß er konservativ war und hart, konse-
quent und streng, berichtet Tacitus auch an anderer Stelle. Mit der
Rede macht er den Juristen vollends zum Prototyp des urkonservativen
Adligen, reduziert er seine Persönlichkeit auf einen Wesenszug, sever-
itas. 194
3. Wir kommen zur letzten Frage. Die Rede des Cassius ist eine der
längsten in den Annalen195, und der ganze Bericht außerordentlich
breit angelegt. Welche Absichten hat Tacitus damit verfolgt?
Ich könnte mir folgende Zusammenhänge denken. Tacitus beginnt
mit seiner Geschichtsschreibung nach dem Ende der Schreckensherr-
schaft Domitians. Das war im Jahre 97. Auf Domitian folgte Nerva,
und auf Nerva schon im Jahre 98 Trajan. In einer ersten kleinen
Schrift, der Biographie seines Schwiegervaters Cn. lulius Agricola,
verspricht Tacitus, die Jahre der ‘Knechtschaft’ unter Domitian darzu-
stellen, und das ‘Glück der Gegenwart’, die Zeit Nervas und Tra-
jans.196 Zehn Jahre später, in der Einleitung der Historien, erneuert
Tacitus das Versprechen einer Darstellung Nervas und Trajans - aber
schon mit einer leisen, doch unübersehbaren Kritik an Trajan: Wäh-
rend er von Nervas Prinzipat spricht, nennt er die Regierung Trajans
imperium.197 Das wiederholte Versprechen hat Tacitus schließlich nicht

194 N. P. Miller, Dramatic speech in Tacitus, AJPh 85 (1964) 296: „By formal speech,
conversation, or aphorism Tacitus aids his Interpretation of a character or reign.“ -
C. Cassius Longinus ist für Tacitus eine wichtige Figur: (wie er ihn zeichnet) ein
eindeutiger, nämlich unkomplizierter Charakter, von vornherein festgelegt und
ohne Entwicklung, immer nur reagierend und in seinen Reaktionen stets berechen-
bar, im ganzen eher starr und beschränkt als konsequent und eigenwillig, dient er
ihm als Paradigma einer respektablen, in ihrer Einseitigkeit aber auch bornierten
Geistes- und Lebenshaltung. Ob seine Persönlichkeit „commanded the esteem of
the historian“ (Syme II 564), ob er ihm „Hochachtung ... entgegen brachte“
(Koestermann zu 14.45.2) oder ihn gar ‘bewunderte’ (Crook [A. 4] 357) bleibt „in
der Schwebe“; vgl. die allgemeine Bemerkung bei G. Mann (A. 153 a) 190.
195 Miller (A. 194) 290. In der 3. Hexade läßt Tacitus im Senat überhaupt nur Cassius
und P. Clodius Thrasea Paetus (ann. 15.20.3 - 21.4) selbst sprechen. Zu beiden
Reden vgl. Syme I 330. Aber Thrasea hat im Jahre 62 im ersten unter Nero geführ-
ten Majestätsprozeß mit Erfolg gegen die beantragte Todesstrafe gesprochen (ann.
14.48.3).
196 Agr. 3.3: Non tamen pigebit... memoriam prioris servitutis ac testimonium praesen-
tium bonorum composuisse.
197 Hist. 1.1.4: Quod si vita suppeditet, principatum divi Nervae et imperium Traiani...
senectuti seposui.
 
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