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Wolf, Joseph Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1988, 2. Abhandlung): Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C. Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n. Chr.: vorgetragen am 17. Jan. 1987 — Heidelberg: Winter, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.48153#0050
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Joseph Georg Wolf

eingelöst. Man vermutet, daß Tacitus von Trajans Regierung zuneh-
mend enttäuscht war.198
Aus diesem Zusammenhang könnte sich die ausführliche Darstel-
lung der Vorfälle des Jahres 61 erklären. Denn Trajan, der Optimus
Princeps, hat das senatus consultum Silanianum nicht nur in seiner
ganzen Strenge und Ungerechtigkeit beibehalten, er hat es sogar noch
verschärft. Er erstreckte zwar nicht die Todesstrafe, wohl aber die
quaestio, die peinliche Befragung, auf die Freigelassenen des ermorde-
ten Dominus.199 Diese Ausdehnung des Gesetzes war unerhört. Nach
uralter römischer Tradition durfte der Freie nicht gefoltert werden.
Durch die Anordnung Trajans wurden in Rom zum ersten Mal Freie
gesetzlich der Folter unterworfen.200 Hiergegen schreibt Tacitus.201
Schauen wir noch einmal in den Text. Am Ende des Kapitels202
berichtet Tacitus, daß ein Senator namens Cingonius Varro beantragt
hat, das senatus consultum Silanianum auf Freigelassene des ermorde-
ten Dominus auszudehnen203; ihnen sollte Deportation angedroht wer-

198 Vgl. etwa R. Till, Tacitus, Das Leben des Julius Agricola3 (1979, Wiss. Buchges.
Darmstadt) 3f.; oder die Erörterung der Frage bei Syme (1962), in: V. Pöschl
(Hrsg.), Tacitus2 (1986) 150ff.; Koestermann I 16, 20; Borzsak, RE 11 Suppl.
(1968) 443, 489.
199 Paulus D 29.5.10.1: Sub divo Traiano constitutum est de his libertis, quos vivus
manumiserat, quaestionem haberi. - Quaestio ist hier nicht das gesamte Verfahren
einschließlich der Bestrafung (wie ich in: Politik und Gerechtigkeit bei Traian [1978]
20, 24 angenommen habe), sondern nur die peinliche Untersuchung (siehe o. nach
A. 16); vgl. aber die Erörterung bei Dalla 63ff. Unter Nero war die Anwendung
des Silanianum zweimal ausgedehnt worden, siehe o. A. 13.
200 Mommsen, Röm. Strafrecht (1899) 405 f.; eingehend und im Einzelnen abweichend
A. Ehrhardt, RE 6A (1937) 1780 ff. Seit dem Beginn des Prinzipats wird das alte
Grundgesetz in der Praxis des Senats- und des Kaisergerichts im Einzelfall durch-
brochen, zunächst offenbar ausschließlich, später vorzugsweise bei Majestätspro-
zessen.
201 Die Konstitution Trajans ist offenbar schon in seinen ersten Regierungsjähren
ergangen. Denn sie wird in Plinius’ Brief an den Juristen Titius Aristo vorausgesetzt
(epist. 8.14.12ff.; vgl. Dalla 65f.) und dieser Brief von A. N. Sherwin-White,
The Letters of Pliny (1966) 461, in das Jahr 105 datiert. Die Entstehungszeit der
Annalen ist nicht genau zu bestimmen; sie sind aber frühestens in der 2. Hälfte
dieses Jahrzehnts begonnen worden; vgl. Borzsak, RE 11 Suppl. (1968) 467ff.
202 14.45.2.
203 Vgl. Tacitus’ Erklärung ann. 3.65.1, über welche Anträge im Senat er berichten
wolle (o. A. 160). Über ihre Aufzeichnung in den acta senatus vgl. o. A. 162, in
besonderen Jahrbüchern A. 164.
 
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