Astrolab und Klosterreform an der Jahrtausendwende
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Besonders kultiviert wurde die Kommunikation in Fleury. Dorthin
holte Abbos Nachfolger als Abt, Gauzlin, um 1020 einen Spanier,
gebürtig aus Barcelona, Mönch von Ripoll. Dabei wanderten Hand-
schriften mit.131 Ein zweites Zentrum lag nebenan in Micy bei Orleans,
wo Konstantin von Fleury eine Zeitlang als Abt fungierte und Gerberts
Hinterlassenschaft betreute. Die Benediktiner an der Loire knüpften
ein dichtes Netz zwischen den Bildungszentren Europas; zahlreiche
Texte verschiedenster Herkunft wurden ausgetauscht, angesammelt
und vermengt, beliebiger als zuvor im Lehrbuch von Fleury. Drei
Beispiele aus den Abtjahren Berns von Reichenau mögen die Anstren-
gungen seiner Mitbrüder beleuchten.
Fulbert, seit 1006 Bischof von Chartres, war zwar wahrscheinlich
nicht bei Gerbert in die Schule gegangen, kannte aber seine natur-
kundlichen Schriften, die astronomischen auch. Andererseits hatte der
junge Fulbert 1004 den alten Abbo von Fleury als großen Philosophen
gepriesen, also seine Forderungen verstanden.132 Nun stellte Fulbert
oder, wie ich eher glaube, einer seiner Schüler ein arabisch-lateinisches
Glossar zusammen, das die Bestandteile und Grundbegriffe des
Astrolabs in beiden Sprachen vorführte. Merkverse derselben Her-
kunft prägten die arabischen Namen einiger Astrolabsterne ein. Dabei
schöpfte der Autor aus den ‘Sententie astrolabii’. Sie könnten ihm aus
dem benachbarten Micy zugekommen sein, mit dem Fulberts Schule
enge Beziehungen pflegte. Und von Chartres zogen manche wie Radulf
später nach Lüttich.133
Um die gleiche Zeit lehrte in Augsburg, wohl an der Domschule, ein
Deutscher namens Ascelinus, in dem man einen Schüler Gerberts hat
sehen wollen. Seine Anleitung zum Bau des Astrolabs bediente sich
einer Vorlage aus Spanien, der unvollständigen Konstruktionsbe-
schreibung ’De mensura astrolapsus’. Ascelin schickte seine verbesser-
131 Andre de Fleury, Vie de Gauzlin abbe de Fleury, hg. von Robert-Henri Bautier
und Gillette Labory (Sources d’histoire medievale Bd. 2, 1969) c. 54 S. 92-94.
Dazu der Anhang: Fleury et la Catalogne au debut du XIC siede, ebd. S.
169-185. Siehe oben Anm. 114.
132 The Letters and Poems of Fulbert of Chartres, hg. von Frederick Behrends
(Oxford Medieval Texts, 1976) Nr. 1 S. 2 Brief an Abbo. Zu Fulbert und Gerbert
Riehe, Gerbert S. 76.
133 Michael McVaugh und Frederick Behrends, Fulbert of Chartres’ Notes on
Arabic Astronomy, Manuscripta 15 (1971) S. 172-177, hier S. 176 f.; die
Merkverse nun auch in der Briefedition (oben Anm. 132) Nr. 148 S. 260. Dazu
Vyver, Traductions S. 287; Kunitzsch, Glossar S. 481 f. Zu den Beziehungen
zwischen Chartres und Micy Werner, Gerbert S. 103-105.
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Besonders kultiviert wurde die Kommunikation in Fleury. Dorthin
holte Abbos Nachfolger als Abt, Gauzlin, um 1020 einen Spanier,
gebürtig aus Barcelona, Mönch von Ripoll. Dabei wanderten Hand-
schriften mit.131 Ein zweites Zentrum lag nebenan in Micy bei Orleans,
wo Konstantin von Fleury eine Zeitlang als Abt fungierte und Gerberts
Hinterlassenschaft betreute. Die Benediktiner an der Loire knüpften
ein dichtes Netz zwischen den Bildungszentren Europas; zahlreiche
Texte verschiedenster Herkunft wurden ausgetauscht, angesammelt
und vermengt, beliebiger als zuvor im Lehrbuch von Fleury. Drei
Beispiele aus den Abtjahren Berns von Reichenau mögen die Anstren-
gungen seiner Mitbrüder beleuchten.
Fulbert, seit 1006 Bischof von Chartres, war zwar wahrscheinlich
nicht bei Gerbert in die Schule gegangen, kannte aber seine natur-
kundlichen Schriften, die astronomischen auch. Andererseits hatte der
junge Fulbert 1004 den alten Abbo von Fleury als großen Philosophen
gepriesen, also seine Forderungen verstanden.132 Nun stellte Fulbert
oder, wie ich eher glaube, einer seiner Schüler ein arabisch-lateinisches
Glossar zusammen, das die Bestandteile und Grundbegriffe des
Astrolabs in beiden Sprachen vorführte. Merkverse derselben Her-
kunft prägten die arabischen Namen einiger Astrolabsterne ein. Dabei
schöpfte der Autor aus den ‘Sententie astrolabii’. Sie könnten ihm aus
dem benachbarten Micy zugekommen sein, mit dem Fulberts Schule
enge Beziehungen pflegte. Und von Chartres zogen manche wie Radulf
später nach Lüttich.133
Um die gleiche Zeit lehrte in Augsburg, wohl an der Domschule, ein
Deutscher namens Ascelinus, in dem man einen Schüler Gerberts hat
sehen wollen. Seine Anleitung zum Bau des Astrolabs bediente sich
einer Vorlage aus Spanien, der unvollständigen Konstruktionsbe-
schreibung ’De mensura astrolapsus’. Ascelin schickte seine verbesser-
131 Andre de Fleury, Vie de Gauzlin abbe de Fleury, hg. von Robert-Henri Bautier
und Gillette Labory (Sources d’histoire medievale Bd. 2, 1969) c. 54 S. 92-94.
Dazu der Anhang: Fleury et la Catalogne au debut du XIC siede, ebd. S.
169-185. Siehe oben Anm. 114.
132 The Letters and Poems of Fulbert of Chartres, hg. von Frederick Behrends
(Oxford Medieval Texts, 1976) Nr. 1 S. 2 Brief an Abbo. Zu Fulbert und Gerbert
Riehe, Gerbert S. 76.
133 Michael McVaugh und Frederick Behrends, Fulbert of Chartres’ Notes on
Arabic Astronomy, Manuscripta 15 (1971) S. 172-177, hier S. 176 f.; die
Merkverse nun auch in der Briefedition (oben Anm. 132) Nr. 148 S. 260. Dazu
Vyver, Traductions S. 287; Kunitzsch, Glossar S. 481 f. Zu den Beziehungen
zwischen Chartres und Micy Werner, Gerbert S. 103-105.