*„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“; so formuliert Arti-
kel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Welches sind
die geschichtlichen Voraussetzungen dieses Begriffes der Menschen-
würde und wie steht es überhaupt mit dem Begriff der Würde, welche
Entwicklungen hat er genommen? Diese Fragen sind, soweit ich sehe,
noch weitgehend ungeklärt. Es fehlt sowohl an begriffsgeschichtlichen
Vorarbeiten wie an ideengeschichtlichen Zusammenfassungen.1 Ich
beschränke mich heute im wesentlichen auf die antike Entwicklung des
Begriffes der Würde, denn hier, und zwar in der römischen Antike, lie-
gen die wichtigsten Voraussetzungen. Am Schluß meiner notwendiger-
weise fragmentarischen Ausführungen werde ich die spätere Entwick-
lung kurz zu skizzieren suchen.
Würde, dignitas, ist in Rom vor allem ein Begriff des politischen
Lebens. Der Glanz und die Gefühlskraft, die diesem Begriffe eigentüm-
lich ist, gehört zu den Merkwürdigkeiten der für uns in vielem so rätselhaf-
ten römischen Staats- und Lebensordnung. Die Merkwürdigkeit zeigt
sich schon darin, daß wir Schwierigkeiten haben, dignitas angemessen zu
übersetzen. Geltung, Ansehen, Prestige sind schwächere Worte. Der
Ernst, der über der römischen dignitas liegt, wird dadurch gemindert. Die
Übersetzer helfen sich trotzdem so oder so ähnlich, weil „Würde“ in
einem deutschen Text gespreizt klingt. „Dignität“ wäre in manchen Fäl-
len vielleicht das Beste. Man soll nicht immer vor dem Fremdwort zurück-
schrecken. Was aber scheint uns an der dignitas so merkwürdig?
Vor allem dieses, daß führenden Politikern ein persönlicher An-
spruch auf Würde, und das heißt auf Anerkennung und Berücksichti-
* Den Herren Alföldy, Christmann, Dihle, Frede, Görler, T. Hölscher, D. Nörr, O’Daly,
Scherer, Schwalbach und Wieland bin ich für wichtige Anregungen und Hinweise dankbar.
1 Für das Lateinische liegen zwei wichtige Vorarbeiten vor, eine Breslauer Dissertation
über dignitas von H. Wegehaupt 1932 und die Göttinger Rektoratsrede von H. Drexler,
1943, wieder abgedruckt in: Das Staatsdenken der Römer, Darmstadt 1966 = 3. Aufl.
1980 (Wege der Forschung 46), 231-254. Leider berücksichtigen beide Arbeiten die für
die Folgezeit so entscheidende spätantike Entwicklung nicht. Der Artikel des Reallexi-
kons für Antike und Christentum (Band 3, 1957) über dignitas im christlichen Bereich
von W. Dürig ist lückenhaft. So wird die zuerst bei Cicero auftauchende Menschen-
würde gar nicht erwähnt, aber auch was Gregor von Nyssa und Boethius darüber sagen,
bleibt außer Betracht. Weitere Literatur im Verzeichnis am Schluß. Dort befinden sich
auch die nur mit Verfassernamen (gegebenenfalls mit Jahreszahl) genannten Arbeiten.
schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“; so formuliert Arti-
kel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Welches sind
die geschichtlichen Voraussetzungen dieses Begriffes der Menschen-
würde und wie steht es überhaupt mit dem Begriff der Würde, welche
Entwicklungen hat er genommen? Diese Fragen sind, soweit ich sehe,
noch weitgehend ungeklärt. Es fehlt sowohl an begriffsgeschichtlichen
Vorarbeiten wie an ideengeschichtlichen Zusammenfassungen.1 Ich
beschränke mich heute im wesentlichen auf die antike Entwicklung des
Begriffes der Würde, denn hier, und zwar in der römischen Antike, lie-
gen die wichtigsten Voraussetzungen. Am Schluß meiner notwendiger-
weise fragmentarischen Ausführungen werde ich die spätere Entwick-
lung kurz zu skizzieren suchen.
Würde, dignitas, ist in Rom vor allem ein Begriff des politischen
Lebens. Der Glanz und die Gefühlskraft, die diesem Begriffe eigentüm-
lich ist, gehört zu den Merkwürdigkeiten der für uns in vielem so rätselhaf-
ten römischen Staats- und Lebensordnung. Die Merkwürdigkeit zeigt
sich schon darin, daß wir Schwierigkeiten haben, dignitas angemessen zu
übersetzen. Geltung, Ansehen, Prestige sind schwächere Worte. Der
Ernst, der über der römischen dignitas liegt, wird dadurch gemindert. Die
Übersetzer helfen sich trotzdem so oder so ähnlich, weil „Würde“ in
einem deutschen Text gespreizt klingt. „Dignität“ wäre in manchen Fäl-
len vielleicht das Beste. Man soll nicht immer vor dem Fremdwort zurück-
schrecken. Was aber scheint uns an der dignitas so merkwürdig?
Vor allem dieses, daß führenden Politikern ein persönlicher An-
spruch auf Würde, und das heißt auf Anerkennung und Berücksichti-
* Den Herren Alföldy, Christmann, Dihle, Frede, Görler, T. Hölscher, D. Nörr, O’Daly,
Scherer, Schwalbach und Wieland bin ich für wichtige Anregungen und Hinweise dankbar.
1 Für das Lateinische liegen zwei wichtige Vorarbeiten vor, eine Breslauer Dissertation
über dignitas von H. Wegehaupt 1932 und die Göttinger Rektoratsrede von H. Drexler,
1943, wieder abgedruckt in: Das Staatsdenken der Römer, Darmstadt 1966 = 3. Aufl.
1980 (Wege der Forschung 46), 231-254. Leider berücksichtigen beide Arbeiten die für
die Folgezeit so entscheidende spätantike Entwicklung nicht. Der Artikel des Reallexi-
kons für Antike und Christentum (Band 3, 1957) über dignitas im christlichen Bereich
von W. Dürig ist lückenhaft. So wird die zuerst bei Cicero auftauchende Menschen-
würde gar nicht erwähnt, aber auch was Gregor von Nyssa und Boethius darüber sagen,
bleibt außer Betracht. Weitere Literatur im Verzeichnis am Schluß. Dort befinden sich
auch die nur mit Verfassernamen (gegebenenfalls mit Jahreszahl) genannten Arbeiten.