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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0016
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Viktor Pöschl

impliziert sie einen Anspruch, der mit Entschiedenheit geltend gemacht
werden kann und als ein legitimes Argument im politischen Kampf
angesehen wird, nämlich den Anspruch der Person, der - und das ist für
uns das Befremdende - gleichwertig neben dem Anspruch der res
publica steht. Aufschlußreich sind die Äußerungen römischer Redner
und Historiker, wo Person und res publica nebeneinander erscheinen,
wobei die Person meist an erster Stelle genannt wird. So spricht Caesar
anläßlich der Verhandlungen mit Ariovist davon, daß es für ihn und die
Republik eine Schande sei, wenn der Germanenfürst die Haeduer, Brü-
der und Blutsverwandte Roms, versklave: quod in tanto imperio populi
Romani turpissimum sibi et rei publicae esse arbitrabatur (BG 1,33,2)17.
In einem Brief an Brutus lobt Cicero dessen Verhalten: facis ex tua digni-
tate et ex re publica (ad Brut. 1,2,2). In der vierten Catilinarischen Rede
vor dem Senat beschwört Cicero die Gefahr, daß eine Schar von Aufrüh-
rern stärker sein könne quam vestra ac rei publicae dignitas (20). In der
gleichen Rede (7) bemerkt er, sowohl Caesar wie Silanus hätten ihre
Strafanträge pro sua dignitate et pro rerum magnitudine gestellt. Das sind
charakteristische Formulierungen, die deutlich machen, daß es in Rom
bei jeder politischen Aktion sowohl um die Person wie um die Sache
geht.18 Aber beides ist eng miteinander verbunden, denn inwiefern hat
sich Caesar in der Senatsverhandlung über das Schicksal der Catilinarier
seiner dignitas und, wie Cicero noch hinzufügt, dem Ruhm seiner Vor-
fahren entsprechend verhalten? Indem er einen Antrag stellte, der eine
Garantie dafür bot, daß sein Bestreben ständig dem Gemeinwohl gelten
würde: habemus a Caesare, sicut ipsius dignitas et maiorum eius ampli-
tudo postulabat, sententiam tamquam obsidem perpetuae in rem publi-
17 An zahlreichen anderen Stellen seines Feldzugsberichtes spricht er nur von der eigenen
dignitas, die ein bestimmtes Vorgehen verlange, z. B. BG 8,6,2: pertinere non tantum ad
dignitatem, sed etiam ad salutem suam . . . nullam calamitatem socios optime de re
publica meritos accipere. Ferner 8,24,4; 50,4; 52,4; 53,1. Im Bericht über die Landung
schreibt Caesar (BG 4,25,3-5) nostris militibus cunctantibus maxime propter altitudinem
maris, qui decimae legionis aquilam ferebat, obtestatus deos, ut ea res legioni feliciter
eveniret, ,desilite' inquit,commilitones, nisi vultis aquilam hostibus prodere; ego certe
meum rei publicae atque imperatori officium praestitero', hoc cum voce magna dixisset,
se ex navi proiecit atque in hostes aquilam ferre coepit, tum nostri cohortati inter se, ne
tantum dedecus admitteretur, universi ex navi desiluerunt. Er gibt ferner (7,66,5) eine
Bemerkung des Vercingetorix wieder, wenn die Römer fliehen und, beim Marsch ange-
griffen, ihr Gepäck wegwerfen sollten, würden sie die notwendigen Dinge und ihre
Würde verlieren {dignitate spoliatum iri).
18 Das gleiche gilt für die Prozeßreden, wo den argumenta extra causam ein für das
moderne juristische Empfinden ungewöhnlich breiter Raum gegeben wird, so z.B. in
Ciceros Rede für den Dichter Archias.
 
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