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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0026
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Viktor Pöschl

Platon ist die Sophrosyne zu einer der vier Kardinaltugenden geworden
(Pol. 4, 427e, 430d-e). Zu den „Erzogenen“ rechnet Isokrates diejeni-
gen, die von Unglücksfällen nicht gebeugt werden, sondern sich tapfer
verhalten und würdig der Anlage, an der wir teilhaben (Panath. 30f.)39
Ähnlich äußerte sich Cicero im Anschluß an Panaitios: die bitteren
Dinge im Leben und Schicksal des Menschen müsse man so tragen, ut
nihil a statu naturae discedas, nihil a dignitate sapientis (off. 1,67).
Großzügigkeit ist eine weitere Forderung, die sich aus der römischen
dignitas ergibt. Kleinliche Pedanterie ist mit ihr unvereinbar. Nicht mit
technischen Angaben über das Amphitheater des Nero auf dem Marsfeld
wolle er Bände füllen, schreibt Tacitus in den Annalen (13,31,1), cum ex
dignitate populi Romani repertum sit res inlustres annalibus, talia diurnis
urbis actis mandare. Das minima non curat praetor ist ein Merkmal römi-
scher Würde. Es gibt eine dignitas artium, eine Würde der Künste, zu
denen die mit Quisquilien sich befassende Jurisprudenz nicht gehört (Cic.
Mur. 25).40 Auch philosophische Schriftstellerei widerspricht der digni-
tas, ein Vorwurf, gegen den sich Cicero wehren muß (fin. 1,11).
In der Politik, in der Kriegsführung, in der zivilisatorischen Fürsorge
erfordert die römische dignitas einen bestimmten Stil. Halbe Maßnah-
men vertragen sich nicht mit ihr. „Nichts halb zu tun ist großer Geister
Art“, sagt Schiller ganz aus römischem Empfinden. Mit Schiffen den
Rhein zu überschreiten, hält Caesar seiner und des römischen Volkes
Würde nicht für angemessen (BG 4,17,1). Hier fassen wir die Gesin-
nung, die die erstaunlichen römischen Nutzbauten, Brücken und Aquä-
dukte hervorgerufen hat. Sie dienten dem praktischen Nutzen und
waren doch zugleich eine Manifestation römischer Macht.
Nach der Einnahme Sagunts durch Hannibal, die Rom für vertrags-
widrig hält, wird den römischen Gesandten in der karthagischen Ratsver-
sammlung vorgehalten, genauso wie die Römer einen Vertrag, den der
Consul Lutatius geschlossen habe, nicht anerkannt hätten, weil er ohne
die Autorität des Senats gehandelt habe, seien auch die Karthager
berechtigt, den Sagunt-Vertrag Hasdrubals nicht anzuerkennen, den er
ohne Wissen Karthagos geschlossen habe. Der römische Gesandte läßt
sich auf solche juristische Subtilitäten nicht ein und faltet seine Toga zu
39 Weitere Beispiele bei V. Tandoi, Le donne ateniesi ehe non devono piangere, Studi
Italiani di Filologia Classica 42, 1970, 154-178. Er geht von einer Stelle des Redners
Lykurg, In Leocr. 40, aus. Vgl. H. North, Sophrosyne. Self-Knowledge and Self-
Restraint in Greek Literature, Ithaca 1966 (Cornell Studies in Class. Philology 35).
40 Mur. 33: omnes enim artes, quae nobis populi Romani studia concilient, et admirabilem
dignitatem et pergratam utilitatem debent habere.
 
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