Der Begriff der Würde im antiken Rom
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einem Bausch: „Hier bringen wir euch Krieg und Frieden - wählt, was ihr
wollt!“ Livius fügt hinzu: haec derecta percunctatio ac denuntiatio belli
magis ex dignitate populi Romani visa est quam de foederum iure verbis
disceptare (21,19,1).41 In einem Brief an den Proconsul Lentulus emp-
fiehlt Cicero die Rückkehr des Königs Ptolemaeus nach Alexandrien in
der Weise zu bewerkstelligen, daß er von Kilikien und Zypern aus mit
einer Flotte und einem Heer nach Alexandrien ausrückt und Ptolemaeus
erst, nachdem die Stadt militärisch gesichert ist, dorthin zurückkehrt.
Dies entspreche seiner und des römischen Imperium Würde.42
Großer Sinn, magnitudo animi ist untrennbar mit der römischen
Würde verbunden, die so Begriffselemente der griechischen μεγαλοψυ-
χία in sich aufnimmt. „Hochgesinnt ist derjenige“, sagt Aristoteles, „der
sich großer Dinge für würdig hält und ihrer auch würdig ist“. „Die Hoch-
gesinntheit hat es mit großen Dingen zu tun“. (Nie. 4,1123a34).
Aber mehr noch prägt römische Willenshaltung, männliche Selbstbe-
herrschung und Zurückdrängung des Emotionalen den römischen
Begriff der Würde. Eines der großartigsten Zeugnisse für das, was römi-
sche dignitas erfordert, ist die Rede Caesars bei Sallust, in der er die
Todesstrafe für die Catilinarier ablehnt. Mit großem Nachdruck weist er
darauf hin, daß Würde und Zorn unvereinbar sind. Die Würde verlange
das Ausschalten gefühlsmäßiger Momente bei Entscheidungen: qui de
rebus dubiis consultant, ab odio amicitia ira atque misericordia vacuos
esse decet (Sali. Cat. 51,1).43
Zugleich verpflichtet die Würde, wie Caesar in der gleichen Rede aus-
führt, zu großzügigem Absehen von den Forderungen strengen Rechtes.
Sie steht zur humanitas nicht nur nicht im Widerspruch, sondern schließt
sie ein. Klar wie nirgends sonst ist hier ausgesprochen, daß auch Milde
Kraft erfordert. Roms maßvolles Verhalten gegen das abgefallene Rho-
dos nach der Unterwerfung Makedoniens 168 v. Chr. und bei der Krieg-
führung gegen Karthago in den beiden ersten Punischen Kriegen wer-
den als Beispiele römischer dignitas angeführt: magis quid se dignum
foret quam quid in illos iure fieri posset, quaerebant. Hoc item vobis pro-
41 Vgl. Deutsche Erzähler des 18. Jh., 9, Fürst (zitiert nach Grimmsches Wörterbuch, Art.
Würde, Sp. 2080): Ein Mann, der über seine Würde hält, nicht negotiiert, sondern
befiehlt.
42 Cic. fam. 1,7,4: esse et tuae et nostri imperi dignitatis et Ptolemaide aut aliquo propinquo
loco rege conlocato te cum classe atque exercitu proficisci Alexandriam, ut, eam cum pace
praesidiisque firmaris, Ptolemaeus redeat in regnum.
43 Vg. auch Cic. fam. 1,7,4: magis iratorum hominum studium quam constantis senatus
consilium.
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einem Bausch: „Hier bringen wir euch Krieg und Frieden - wählt, was ihr
wollt!“ Livius fügt hinzu: haec derecta percunctatio ac denuntiatio belli
magis ex dignitate populi Romani visa est quam de foederum iure verbis
disceptare (21,19,1).41 In einem Brief an den Proconsul Lentulus emp-
fiehlt Cicero die Rückkehr des Königs Ptolemaeus nach Alexandrien in
der Weise zu bewerkstelligen, daß er von Kilikien und Zypern aus mit
einer Flotte und einem Heer nach Alexandrien ausrückt und Ptolemaeus
erst, nachdem die Stadt militärisch gesichert ist, dorthin zurückkehrt.
Dies entspreche seiner und des römischen Imperium Würde.42
Großer Sinn, magnitudo animi ist untrennbar mit der römischen
Würde verbunden, die so Begriffselemente der griechischen μεγαλοψυ-
χία in sich aufnimmt. „Hochgesinnt ist derjenige“, sagt Aristoteles, „der
sich großer Dinge für würdig hält und ihrer auch würdig ist“. „Die Hoch-
gesinntheit hat es mit großen Dingen zu tun“. (Nie. 4,1123a34).
Aber mehr noch prägt römische Willenshaltung, männliche Selbstbe-
herrschung und Zurückdrängung des Emotionalen den römischen
Begriff der Würde. Eines der großartigsten Zeugnisse für das, was römi-
sche dignitas erfordert, ist die Rede Caesars bei Sallust, in der er die
Todesstrafe für die Catilinarier ablehnt. Mit großem Nachdruck weist er
darauf hin, daß Würde und Zorn unvereinbar sind. Die Würde verlange
das Ausschalten gefühlsmäßiger Momente bei Entscheidungen: qui de
rebus dubiis consultant, ab odio amicitia ira atque misericordia vacuos
esse decet (Sali. Cat. 51,1).43
Zugleich verpflichtet die Würde, wie Caesar in der gleichen Rede aus-
führt, zu großzügigem Absehen von den Forderungen strengen Rechtes.
Sie steht zur humanitas nicht nur nicht im Widerspruch, sondern schließt
sie ein. Klar wie nirgends sonst ist hier ausgesprochen, daß auch Milde
Kraft erfordert. Roms maßvolles Verhalten gegen das abgefallene Rho-
dos nach der Unterwerfung Makedoniens 168 v. Chr. und bei der Krieg-
führung gegen Karthago in den beiden ersten Punischen Kriegen wer-
den als Beispiele römischer dignitas angeführt: magis quid se dignum
foret quam quid in illos iure fieri posset, quaerebant. Hoc item vobis pro-
41 Vgl. Deutsche Erzähler des 18. Jh., 9, Fürst (zitiert nach Grimmsches Wörterbuch, Art.
Würde, Sp. 2080): Ein Mann, der über seine Würde hält, nicht negotiiert, sondern
befiehlt.
42 Cic. fam. 1,7,4: esse et tuae et nostri imperi dignitatis et Ptolemaide aut aliquo propinquo
loco rege conlocato te cum classe atque exercitu proficisci Alexandriam, ut, eam cum pace
praesidiisque firmaris, Ptolemaeus redeat in regnum.
43 Vg. auch Cic. fam. 1,7,4: magis iratorum hominum studium quam constantis senatus
consilium.