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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

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https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0041
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Der Begriff der Würde im antiken Rom

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aus kann man entnehmen, daß die körperliche Lust der hervorragenden
Stellung des Menschen nicht genügend würdig ist... wenn wir beden-
ken, welche Vorrangstellung und welche Würde unserer Natur eignet,
dann verstehen wir, wie schimpflich es ist, im Wohlleben zu versinken.“
Pertinet ad omnem officii quaestionem semper in promptu habere, quan-
tum natura hominis pecudibus reliquisque beluis antecedat. Illae nihil
sentiunt nisi voluptatem ad eamque feruntur omni impetu, hominis autem
mens discendo alitur et cogitando, semper aliquid aut anquirit aut agit
videndique et audiendi delectatione ducitur. Quin etiam sin quis est paulo
ad voluptates propensior. . . quamvis voluptate capiatur, occultat et dissi-
mulat appetitum voluptatis propter verecundiam. Ex quo intellegitur cor-
poris voluptatem non satis esse dignam hominis praestantia ... si conside-
rare volemus quae sit in natura (nostra) excellentia et dignitas intellege-
mus, quam sit turpe diffluere luxuria.
Es ist dies der früheste Beleg für die Würde der menschliche Natur im
lateinischen Bereich, und dies ist, seltsam genug, in den zahlreichen
Abhandlungen zur Menschenwürde bisher nicht beachtet worden.
Vorausgegangen waren in De officiis andere Hinweise auf die Sonder-
stellung des Menschen, so bei der Bestimmung des „übergeordneten
decorum“, das sich auf jedes ehrenhafte Verhalten bezieht im Unter-
schied zu dem „speziellen decorum,“ das den einzelnen Tugenden zuge-
ordnet ist: illud superius sic fere definiri solet: decorum id esse quod con-
sentaneum sit hominis excellentiae in eo, in quo natura eius a reliquis
animantibus differat (1,96), sowie bei der Definition der Rolle, die die
Natur dem Menschen zugewiesen hat: nobis autem personam imposuit
ipsa natura magna cum excellentia praestantiaque animantium reli-
quarum (1,97). Das geht auf Chrysipp zurück, der nach dem Bericht
Ciceros (fin. 4,28) erklärte, daß das Wesen des Menschen durch die
animi excellentia bestimmt sei, durch die er alle Lebewesen übertreffe.81
Daß Cicero (off. 1,105 f.) die excellentia und praestantia hominis auch
als dignitas bezeichnet, ergibt sich ganz natürlich aus dem römischen
Begriff. Wie die dignitas der principes rei publicae ist sie eine Auszeich-
nung, die zugleich als Verpflichtung empfunden wird. Der entschei-
dende Unterschied aber liegt darin, daß die dignitas nun nicht mehr ein-
prohibet dignitas, apud alium ipsius facti pudet, / ne ineptus, ne protervos videar (Heau-
tontimorumenos 574 ff.).
81 Hierzu Lotte Labowsky, Der Begriff des Πρέπον in der Ethik des Panaitios. Mit Analy-
sen von Cicero De officiis I 93-149 und Horaz Ars poetica. Diss. Heidelberg 1932, auch
als Buch erschienen unter dem Titel: Die Ethik des Panaitios. Untersuchungen zur
Geschichte des Decorum bei Cicero und Horaz, Leipzig 1934.
 
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