Metadaten

Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1989, 3. Abhandlung): Der Begriff der Würde im antiken Rom und später: vorgetragen am 10. Mai 1969 — Heidelberg: Winter, 1989

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48158#0042
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
40

Viktor Pöschl

zelnen Persönlichkeiten zugesprochen wird, die im Staat eine führende
Stellung einnahmen, sondern daß sie dem Menschen als solchen eigen-
tümlich ist. Damit ist impliziert, daß alle Menschen prinzipiell gleich
sind. Indem so die von der griechischen Philosophie postulierte Sonder-
stellung des Menschen dignitas genannt wird, ist eine wichtige Voraus-
setzung des Begriffes der Menschenwürde geschaffen worden, nicht die
einzige, wie sich zeigen wird. Es wurde damit der Grund gelegt zu der
Ablösung der altrömischen aristokratisch elitären dignitas durch die
Würde, die keinen Menschen ausschließt. Der elitäre Charakter der
dignitas bleibt aber auch jetzt noch erhalten. Diejenigen, die dem
Anspruch der dignitas genügen, unterscheiden sich von den anderen, die
dies nicht tun.
Eine Verpflichtung, die sich aus der dem Menschen eigenen dignitas
ergibt, ist, wie Cicero an der zitierten Stelle ausführt, daß sich der
Mensch nicht wie das Tier auf niedere Genüsse beschränken darf.
Auch Sallust leitet aus der Vorrangstellung der Menschen Verpflich-
tungen ab. Der erste Satz des Catilina lautet: omnis homines, qui sese
student praestare ceteris animalibus ,82 summa ope niti decet, ne vitam si-
lentio transeant veluti pecora. Was damit gemeint ist, wird im Folgenden
ausgeführt: Man muß Ruhm erwerben und etwas leisten, was in der
Erinnerung möglichst lange lebendig bleibt (memoriam nostri quam
maxume longam efficere 1,3).
Beschreibungen der Sonderstellung des Menschen finden wir auch in
anderen Schriften Ciceros. Sie gehen, durch Panaitios und Poseidonios
vermittelt und weiterentwickelt, auf Plato und Chrysipp zurück. Im
Somnium Scipionis wird die dem Menschen von Gott zugedachte Rolle
(munus humanum adsignatum a deo) als die Aufgabe definiert, „für die
Erde Sorge zu tragen“: homines enim sunt hac lege generati qui tuerentur
illum globum quem in hoc templo medium vides, quae terra dicitur (rep.
6,15). Im zweiten Buch von De natura deorum wird ausführlich darge-
stellt, was der Mensch allen anderen Geschöpfen voraus hat. „In der
Natur suchen wir“, heißt es dort auch, „mit unseren Händen gleichsam
eine zweite Natur zu schaffen“; nostris manibus in rerum natura quasi
alteram naturam efficere conamur (2,152).83 Der Mensch muß die Ord-
82 Vgl. Verf., Zum Anfang von Sallusts Catilina (1970), jetzt in: Kleine Schriften II, hrsg.
von W.-L. Liebermann, Heidelberg 1983, 109ff., bes. 112ff., wo gezeigt wird, daß Sal-
lusts Formulierung merkwürdig mit Xenophons Hieron übereinstimmt. Die Xenophon-
stelle (Hier. 7,3) gehört auf jeden Fall in unseren Zusammenhang.
83 Vgl. Cic. leg. 1,17: hominem, quod principium reliquarum rerum esse voluit, generavitet
ornavit deus.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften