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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0049
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Ovids poetische Menschenwelt

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nicht auch Menschen und Steine und Bäume - der schlechthin unaufheb-
bare Unterschied ist der zwischen stetigem Wandel und einmaliger end-
gültiger Verwandlung24: Lehre des Pythagoras: a—» b—» c—» d—> e—» . . .

Zyklische Variante: a-^b-»c—>d—» . . . —» a
n = endlich
Vorübergehende Verwandlung (die Götter der ovidischen Metamor-
phosen und Lucius in den Metamorphosen des Apuleius): a —> b —» a.
Metamorphose von Menschen bei Ovid: a b und bleibt b, und b bleibt
b. Daphne wird Lorbeer, ist immer Lorbeer, und Lorbeer ist seit Apol-
los vergeblicher Liebe zu Daphne Lorbeer geblieben. Die ovidische Me-
tamorphose ist ein einmaliges Ereignis, das zu bleibender Gestalt wird,
ein Aspekt der Welt (Kosmos), welche die chaotische Bewegung über-
wunden hat, so daß nur für die Ingredienzien des Chaos gilt: „nulli sua
forma manebat“ (met. 1,17).25 Die Metamorphose ist weder (welthi-
storisch noch (natur-)philosophisch zu erklären.
Die Verse met. 15,375-381 können als Muster der Unvereinbarkeit26
von ovidischer Metamorphose und pythagoreischer Wandlungslehre be-
trachtet werden. Frösche und Bären ,entstehen4 im Sinn der ovidischen
Metamorphose nicht wie Pythagoras es biologisch-naturwissenschaft-
lich erklärt, sondern als Verwandlung von Menschen. ,Unvereinbar-
keit4: das heißt: Pythagoras kann die ovidische Metamorphose nicht er-
klären. Aber das heißt auch: er will es gar nicht, und er soll es auch nicht.
Und insofern sind ovidische Metamorphose und pythagoreische Lehre
auch wieder vereinbar: als Erklärungen von Phänomenen, die ganz an-
deren ,Welten4 und Kategorien angehören. Pythagoras erklärt den
Frosch und den Bär als Lebewesen in ihrer natürlichen Existenz, Ovid
mit seinen Metamorphosen in ihrer metaphorischen Bedeutung. Erklärt
Brehms oder Grzimeks Tierleben die Fabeln Äsops oder von La Fon-
taine, oder widerlegt die wissenschaftliche Zoologie die Heraldik, Em-
blematik, Metaphorik von Tieren? Ein dummer Mensch bleibt ein Esel,
auch wenn der Esel klüger als das Pferd ist. Ein Schwein bleibt ein
Schwein, auch wenn das Schwein als eines der reinlichsten Tiere gelten
muß.
24 Die , Ausnahmen* Callisto und Io sind zweistufige Metamorphosen und enden ebenfalls
für immer in einer identischen Gestalt.
25 Diese Charakteristik des Chaos durch Ovid selbst in den Metamorphosen gilt manchen
als das Prinzip der ovidischen Dichtung!
26 Vgl. Holzberg (1988), Einführung in Metamorphosen, S. 731.
 
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