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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0065
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Ovids poetische Menschenwelt

63

§ 10 Pianezzolas These: Narrative Metapher. Abgrenzungen
Die Pointe der hier gegebenen Deutung der Metamorphose läßt sich
in der Gegenüberstellung mit Pianezzolas Arbeiten23 zur ovidischen Me-
tamorphose als narrative Metapher noch schärfer fassen. Pianezzola be-
schreibt die ovidische Technik, bei Metamorphosen von Metaphern aus-
zugehen24, während ich die Funktion der Metamorphose herausstelle,
Aition für die metaphorische Bedeutung eines Naturwesens zu sein.25
Während daher Pianezzola nur auf allgemein verfügbare und traditio-
nelle Metaphern schaut26, kommt es mir auf die Bereicherung27 an, die
Ovids Metamorphosen für das Verstehen des Menschen in neu mensch-
lich gesehenen Weltdingen bedeuten, wobei meine Redeweise verkür-
zend unter Metapher auch solche Bedeutungen einbegreift, die sich
nicht in einem abstrakten Terminus wie Grausamkeit, Härte u. a. kom-
primieren lassen, sondern für eine ganze Geschichte stehen können,
eben die Geschichte, die zu jener Form durch Verwandlung führte. Die
23 Pianezzola (1973), Tecnica ovidiana und Pianezzola (1979), Metamorfosi come meta-
fora. Ich gebe in den folgenden Anmerkungen meistens Hinweise auf die spätere Ar-
beit, eine knappe Zusammenfassung (in Vortragsform) des ersten Titels.
24 Pianezzola (1979), Metamorfosi come metafora; vgl. bes. S. 80: die Niobegeschichte als
ein Beispiel, „in cui la metafora e generatrice di metamorfosi“; vgl. dazu auch S. 83: „La
metafora [. . .] ha la funzione di preparare il processo metamorfico, [. . .]. La metamor-
fosi ha [. . .] sviluppato in termini narrativi e descrittivi la metafora iniziale.“
25 Hier liegt nicht Widerspruch, sondern gegenseitige Ergänzung vor. - Mir leuchtet aller-
dings nicht ein, daß in der Niobegeschichte ,derigescere/derigere‘ (met. 6,303) metapho-
risch gebraucht werde und dies der Ausgangspunkt für die Metamorphose sei, die die
Metapher eigentlich mache (Pianezzola, 1979, Metamorfosi come metafora, S. 82L).
Vielmehr ist schon Niobes ,derigescere/derigere‘ durchaus eigentlich - sie ist starr-, und
es ist die implizite Metapher ,Stein1, welche von der Metamorphose expliziert und reali-
siert wird. Und die Verwandlung der Steine Deucalion und Pyrrhas in Menschen geht
nicht von einer über das Kenning Γης όστέα vermittelten Metapher ,Steine = Men-
schenknochen1 aus, was Ovid mit dem aitiologischen Mythos der Herkunft des „durum
genus“ Menschen aus Steinen (also ,Steine = Menschen1) zu seiner narrativen Metapher
in der Steinmetamorphose verbunden hätte (Pianezzola, 1979, Metamorfosi come meta-
fora, S. 84f. ~ 1973, Tecnica ovidiana, S. 33ff.; vgl. auch u. Anm. 28), sondern macht
den Ursprung des Erdwesens Mensch aus den härtesten Teilen der Mutter Erde, ihren
Knochen, den Steinen, zur Metapher für die Härte des Menschengeschlechts.
26 Pianezzola (1979), Metamorfosi come metafora: vgl. „tradizione“, „tradizionale“ S. 82.
87. 89.
27 Auch bei Pianezzola (1979), Metamorfosi come metafora, zum Schluß angedeutet, wo
er (S. 91) eine Formulierung von A. Fonzi - E. Negro Sancipriano, La magia delle pa-
role: alla riscoperta della metafora, Turin 1975, S. VIII auf die Metamorphose bezieht:
„un modo di conoscere il mondo alternativo alla conoscenza di tipo logico“.
 
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