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Berger, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 1. Abhandlung): Das Burushaski: Schicksale einer zentralasiatischen Restsprache ; vorgetragen am 12. Januar 1991 — Heidelberg: Winter, 1992

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https://doi.org/10.11588/diglit.48165#0019
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Das ßurushaski

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Worin die angedeutete „höhere“, d. h. über das Inhaltliche hinausge-
hende synthetische Fähigkeit des ßurushaski besteht, soll einleitend kurz
angedeutet werden. Seit der Begründung der sprachtypologischen For-
schung durch W. v. Humboldt weiß man, daß in den Sprachen der Welt
zumindest die Neigung besteht, besonders markante lautliche oder gram-
matische Eigentümlichkeiten mit anderen zu kombinieren, die sich leicht
von ihnen ableiten oder mit ihnen besonders „verträglich“ erscheinen. So
werden in einer Sprache, die es sich zum Prinzip gemacht hat, jede klein-
ste Bedeutungseinheit durch eine und nur durch eine Silbe zu bezeichnen,
über kurz oder lang Tonfälle als phonologische Merkmale auftreten, da
sie, soll der Monosyllabismus beibehalten werden, bei dem langsamen,
aber im Laufe der Jahrhunderte unaufhaltsamen Verschleiß der Laut-
form als Nachhall der geschwundenen Laute die letzten Stützen der Un-
terscheidung bilden müssen. Oder: eine Sprache, die es wie das Türkische
liebt, modifizierende oder grammatische Elemente in großer Zahl dem
Wortstamm unterzuordnen, wird keine Neigung zu einem freien und
stark zentralisierenden Akzent entwickeln, der zur lautlichen Reduktion
von Nebensilben führen würde. Auch innerhalb des Lautlichen gibt es
solche Interdependenzen. So hat eine extreme Bevorzugung des Kehl-
kopfes bei der Lautbildung, also durch hintere Velare, Laryngale und
emphatische oder glottalisierte Konsonanten, wie im Arabischen, Es-
kimo und vielen Indianersprachen, in der Regel eine Verkümmerung des
Vokalismus zur Folge, usw. Es ist leicht, für Zusammenstellungen dieser
Art Gegenbeispiele beizubringen, aber das spricht nicht gegen die Be-
rechtigung des Prinzips. Reine Typen wird es unter den historischen Spra-
chen ohnehin kaum je geben, sie sind nach einer Formulierung von Vladi-
mir Skalicka ein „theoretisches Konstrukt“.8 Ja, eine Sprache kann sich
gerade dadurch auszeichnen, daß sie das scheinbar Unverträgliche kom-
biniert und zu einer Einheit eigener Art zusammenzuschweißen versucht.
Etwas von dieser Art scheint im ßurushaski vorzuliegen.
Eine zweite grundlegende Eigentümlichkeit des ßurushaski liegt in
dem ungewöhnlichen Ausmaß, in dem ein und dieselbe morphologische
oder syntaktische Konstruktion in verschiedener Weise zum Ausdruck
gebracht werden kann. Ein Grund dafür liegt sicher in einem spieleri-
schem Zug, in einer naiven Freude am Lautlichen, die unsere am Ge-
danklichen und der Zweckmäßigkeit orientierten europäischen Schrift-
sprachen fast ganz verloren haben und die sich auch in der ungeheuren
8 Typologische Studien, hrsg. von Peter Hartmann (1979), = Schriften zur Linguistik 11,
p. 335ff.
 
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