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Hermann Berger
tivum auf, denn sie werden nach der y-Klasse behandelt, während die
auf ihnen wachsenden Früchte mit demselben Wort, aber in der x-
Klasse, bezeichnet werden. Eine zusätzliche Verkomplizierung ergibt
sich auch daraus, daß leblose Gegenstände unbeschadet ihrer Form je
nach dem Stoff, aus dem sie gemacht sind, verschieden behandelt wer-
den, wobei Stein und Holz als x, Metall und Leder als y gelten; tarkäs
„Köcher“ wird in der Kongruenz als x behandelt, wenn der Köcher aus
Holz gefertigt ist, wenn aus Leder aber als y. Wenn bei aller Kompli-
ziertheit jedes neu in die Sprache entlehnte Substantiv trotzdem mit gro-
ßer Sicherheit sogleich in eine der vier Klassen eingeordnet wird, so hegt
das vor allem daran, daß dies nicht nach einem abstrakten Prinzip
geschieht, sondern im Anschluß an nächstverwandte Wörter oder
Wortgruppen, so wie wir im Deutschen den Wodka trotz der auch nach
unserem Sprachgefühl femininen Endung wegen ..der Schnaps“ als
Maskulinum behandeln.
Trotz aller Schwierigkeiten im einzelnen sind zwei Dinge auf den er-
sten Blick erkennbar: einmal, daß es sich bei den sogenannten Klassen-
unterscheidungen des Burushaski nicht um eigentliche Nominalklassen
handelt, wie sie vor allem aus den Bantusprachen bekannt sind, sondern
um Genera, und zweitens, daß in dem Vierersystem des Burushaski eine
einmalige Verbindung von zwei ihrem Wesen nach ganz verschiedenen
Genussystemen vorliegt. Ausführend dazu ist zunächst zum Begriff des
Genus zu bemerken, daß es sich dabei formal tatsächlich um eine Art
von Klassifikation handelt, aber die Beschränkung auf zwei, höchstens
drei Klassen ist nicht rein quantitativ, sondern ändert auch den Charak-
ter der Zuordnung, die damit dem Ausdruck einer Polarität dient. Da-
bei ist der Gegensatz von männlich und weiblich nur eine der möglichen
Symbolvorstellungen. Häufig ist der Gegensatz von „beseelt“ und „un-
beseelt“ genusbildend, wie in den Algonkinsprachen, dem Singhalesi-
schen, Mittelpersischen, Sumerischen, im Chittagong-Dialekt des
Bengali der von „vereinzelt, individualisiert“ und „kollektiv, undiffe-
renziert“.9 Es liegt auf der Hand, daß die Unterscheidung der x- von der
y-Klasse im Burushaski der letztgenannten Genusart verwandt ist und
daß es aus den Klassen der Einzelwesen eine eigene Menschenklasse
abgespaltet hat, die sich ihrerseits in maskulin und feminin geteilt hat,
wodurch die außergewöhnliche Anzahl von vier echten Genera innerhalb
9 Vgl. Norihiko Ucida, Der Bengali-Dialekt von Chittagong. Grammatik, Texte, Wörter-
buch. 1970, p. 29. Der Gesichtspunkt der Klassifikation ist bei Ucida nicht angegeben,
doch läßt sich im Vokabular leicht erkennen,daß die Klasse II weitgehend der h- und x-
Klasse des Bur. entspricht, die Klasse I der y-Klasse.
Hermann Berger
tivum auf, denn sie werden nach der y-Klasse behandelt, während die
auf ihnen wachsenden Früchte mit demselben Wort, aber in der x-
Klasse, bezeichnet werden. Eine zusätzliche Verkomplizierung ergibt
sich auch daraus, daß leblose Gegenstände unbeschadet ihrer Form je
nach dem Stoff, aus dem sie gemacht sind, verschieden behandelt wer-
den, wobei Stein und Holz als x, Metall und Leder als y gelten; tarkäs
„Köcher“ wird in der Kongruenz als x behandelt, wenn der Köcher aus
Holz gefertigt ist, wenn aus Leder aber als y. Wenn bei aller Kompli-
ziertheit jedes neu in die Sprache entlehnte Substantiv trotzdem mit gro-
ßer Sicherheit sogleich in eine der vier Klassen eingeordnet wird, so hegt
das vor allem daran, daß dies nicht nach einem abstrakten Prinzip
geschieht, sondern im Anschluß an nächstverwandte Wörter oder
Wortgruppen, so wie wir im Deutschen den Wodka trotz der auch nach
unserem Sprachgefühl femininen Endung wegen ..der Schnaps“ als
Maskulinum behandeln.
Trotz aller Schwierigkeiten im einzelnen sind zwei Dinge auf den er-
sten Blick erkennbar: einmal, daß es sich bei den sogenannten Klassen-
unterscheidungen des Burushaski nicht um eigentliche Nominalklassen
handelt, wie sie vor allem aus den Bantusprachen bekannt sind, sondern
um Genera, und zweitens, daß in dem Vierersystem des Burushaski eine
einmalige Verbindung von zwei ihrem Wesen nach ganz verschiedenen
Genussystemen vorliegt. Ausführend dazu ist zunächst zum Begriff des
Genus zu bemerken, daß es sich dabei formal tatsächlich um eine Art
von Klassifikation handelt, aber die Beschränkung auf zwei, höchstens
drei Klassen ist nicht rein quantitativ, sondern ändert auch den Charak-
ter der Zuordnung, die damit dem Ausdruck einer Polarität dient. Da-
bei ist der Gegensatz von männlich und weiblich nur eine der möglichen
Symbolvorstellungen. Häufig ist der Gegensatz von „beseelt“ und „un-
beseelt“ genusbildend, wie in den Algonkinsprachen, dem Singhalesi-
schen, Mittelpersischen, Sumerischen, im Chittagong-Dialekt des
Bengali der von „vereinzelt, individualisiert“ und „kollektiv, undiffe-
renziert“.9 Es liegt auf der Hand, daß die Unterscheidung der x- von der
y-Klasse im Burushaski der letztgenannten Genusart verwandt ist und
daß es aus den Klassen der Einzelwesen eine eigene Menschenklasse
abgespaltet hat, die sich ihrerseits in maskulin und feminin geteilt hat,
wodurch die außergewöhnliche Anzahl von vier echten Genera innerhalb
9 Vgl. Norihiko Ucida, Der Bengali-Dialekt von Chittagong. Grammatik, Texte, Wörter-
buch. 1970, p. 29. Der Gesichtspunkt der Klassifikation ist bei Ucida nicht angegeben,
doch läßt sich im Vokabular leicht erkennen,daß die Klasse II weitgehend der h- und x-
Klasse des Bur. entspricht, die Klasse I der y-Klasse.